Sternenstaub (German Edition)
größter Not für mich allein zu sorgen. Jurik entließ mich am Rande des Grundstücks. An -geblich zu meiner eigenen Sicherheit.
“Im Stall gibt es bestimmt ein paar Hühner. Viel Spaß!”
Witzbold. Wenn ich einen fremden Gockel auch nur in der Nähe meiner Herde gewittert hätte, wäre es zu einer blutigen Szene gekommen. Nach einem ausgiebigen Staub-bad stolzierte ich dementsprechend wachsam auf den Ein-gang der Scheune zu. Der Boden war aufgescharrt und aus dem Inneren drang hektisches Gegacker. Plötzlich machte ich im Schatten das glitzernde Augenpaar eines auf der Lauer liegenden Raubtiers aus.
Nur ein Kater. Zum Glück.
“Schleicht euch!”
“Miauu!”
Ein kleiner Scheinangriff meinerseits genügte, um dem räudigen Vieh Beine zu machen. Und noch immer weit und breit kein Hahn zu sehen. Vorsichtig tippelte ich näher an das halbgeöffnete Stalltor und lugte hinein. Ein angebun-denes Wollschwein suhlte sich im Dreck und in der Ecke war eine Stange befestigt, auf der drei alte dösende Glucken saßen. Die erste, die mich entdeckte, stieß die anderen bei-den an; gleichermaßen verwundert sahen sie rüber zu mir. “Was haben wir denn da?”
Bauer Jegor war müde. Ein langer Tag lag hinter ihm und seiner hinkebeinigen Frau. Die Böden von Ilms waren trocken wie Steppenland und dazu hart wie Stein. Doch selbst der Schlaf versprach hier kaum Erholung, denn in letzter Zeit plagten sie beide rätselhafte und böse Träume.
Gerade als Radoma den Topf mit der zähen Hafergrütze auf den Tisch stellen wollte, klopfte es an.
Schwerfällig erhob sich Jegor und öffnete die Tür.
“Oh guter Mann. Habt ein Herz mit uns.”
Der ungeschlachtete Kerl sah sich einer fünfköpfigen Ban-de heulender Hosenmatze ausgesetzt, die wirr durchein-ander plärrten: “Wir haben uns verirrt! Hunger! Bitte helft uns! Wir wurden von Bluthunden überfallen! Guter Mann, wir haben seit Tagen nichts gegessen! Hunger! Unsere El-tern sind tot! ”
Das alles wurde in einem herzerweichenden Rhythmus vor -getragen und entsprach vollkommen der Wahrheit.
Bloß Jegor blieb skeptisch: “So dürre Bettler wie euch kön -nen wir hier nicht gebrauchen.”
“Ach was.”
Radoma schob ihren Mann von der Schwelle und bat die Kinder herein.
“Hört nicht auf den alten Knauser. Ihr kommt genau rich -tig, der Haferbrei reicht bestimmt für alle!”
Tat er nicht. Aber immerhin beruhigte er die leeren Mägen und das Lager für die eiskalte Nacht war gesichert. Die Zwillinge und Timosh schliefen bereits kurz nach dem Es -sen ein; Jurik und Maxim bedankten sich noch bei der gast-freundlichen Bäuerin, ehe auch sie sich einen Platz hinter dem Ofen suchten.
Bis zu dem Moment, als ich den Stall betrat, war mir noch kein Huhn über den Weg gelaufen, das des Sprechens genauso mächtig war wie ich. Gott sei Dank.
Ewa, Alka und die braune Dascha raubten mir mit ihrem ewigen Geplapper und Genörgel glatt den letzten Nerv. Kein Wunder , dass sich noch jeder Gockel vor mir aus dem Staub gemacht hatte. Und Futter gab es auch keins. Daher alles andere als ein Platz zum alt werden. Doch angeblich hatte der Hof schon bessere Zeiten gesehen.
“Diese Str igoi kümmern sich um gar nichts”, stellte Alka betroffen fest.
Woraufhin ihre Schwester Ewa wehleidig einstimmte: “Ja ja, früher da war alles viel besser. Untote sind ein wahrlich faules Pack.”
“Untote? Strigoi? Wie darf ich mir das vorstellen?”
Die braune Dascha hatte unterdessen die Seite gewechselt, vermutlich , um mich einzukreisen.
“Dazu müsst ihr wissen, dass das Haus dem schönen Gun -nar gehörte. Der lebte hier über lange Zeit glücklich und zufrieden mit seiner Familie bis, ja bis der unselige Krieg über uns kam.”
“Ach , iwo, geschieht ihm ganz recht dem Simpel”, be-merkte die feindselige Alka. “Er musste sich ja den Rebel-len von Usw-Jenkanej anschließen, sein Weib und den klei-nen Milan im Stich lassen. Und kaum war er davon geritten, da tauchen auch schon die zwei Alten auf. Dabei hatte er sie vor Jahren auf dem Friedhof zu Hulkin begraben.”
“Ist ja spannend. Und wie weiter, meine Liebe?”
“Na, aufgefressen.”
“Ich versteh nicht.”
“Wie mir scheint, seid ihr nicht gerade der hellsten Einer. Die Frau und der arme Junge wurden von den Strigoi ver-putzt.“
“Bei Nacht mit Haut und Haaren.”
“Schrecklich!”
“Das könnt ihr laut sagen! Seit dem ist es für meinen Ge-schmack etwas still geworden auf
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