Sternenstaub (German Edition)
geklammert, die ihm um den dürren Hals hing. Wahrscheinlich ein Talis-man. Vielleicht betete das Männchen gerade still und heim-lich, dass Luthar nicht zusammenbrach.
Lächerlich!
„Mir geht es übrigens prächtig“, sagte Luthar, was der Hei-ler mit einem nervösen Lächeln quittierte.
Allmählich begann Luthar die Monotonie seiner Um-gebung zu langweilen. Und wie immer, wenn ihm die Zeit lang wurde, schwelgte er in den Erinnerungen an seine größte Schlacht.
Er, Luthar, im Auftrag des Königs, gegen Vradim, des Königs Halbbruder, der das Reich in den Bürgerkrieg ge -stürzt hatte. Wie damals sah Luthar vor seinem geistigen Auge die Mauern und Türme von Vradims Burg in die Hö-he ragen, in die sich der Feigling letztendlich geflüchtet hatte.
Es war Abend, und die Speerspitzen der Verteidiger re-flektierten das Licht der düsterrot. Nach harter Schlacht fiel die Burg. Wenige Tage später kehrte Luthar zurück nach Kalvahar, Vradims Kopf in einem Bastkorb, den er dem König auf den Tisch stellte.
Der König belohnte ihn fürstlich, allem voran machte er Luthar ein Amulett zum Geschenk, das er seitdem immer getragen hatte. Nicht der Magie wegen, die dem Schmuck -stück innewohnen sollte, sondern als Zeichen dafür, in der Gunst des Königs zu stehen. Trotzdem konnte sich Luthar noch an den genauen Wortlaut des Königs erinnern, als dieser es ihm übergaben hatte.
„ Dieses Amulett schützt vor Magie, mein treuer Luthar. In welche Gefahr du auch geraten solltest, die finsteren Küns-te von Hexen und Zauberern brauchst du nie mehr fürch-ten.“
Luthar führte seine Hand zum Hals. Das Amulett hing dort noch immer.
Wie sich später herausstellte, hatte der König ihm das Amulett nicht aus Großzügigkeit allein geschenkt. Kaum eine Woche später erhielt er den Auftrag, Korgash, Vra-dims Berater und Leibmagier, auf den Weg alles Irdischen zu schicken. Auch seine Geschichte endete in einem Bast-korb.
Er hob das Amulett vor die Augen. Auch wenn dessen silbriger Glanz im schwachen Licht der Fackeln nicht zur Geltung kam, ging von diesem Kleinod doch eine schwer erfassbare Macht aus. Prüfend wanderte Luthars Blick über den Rest seiner Ausrüstung, wollte er vor dem Rat doch nicht wie ein Bettler erscheinen. Sein Kettenhemd schien in bestem Zustand. Seine Finger strichen liebevoll über das fein geschmiedete Gewebe aus Metallringen, doch plötzlich blieben sie an einem Riss in Brusthöhe hängen.
Luthar fuhr mit seinen Zeigefinger über die beschädigte Stelle, wobei sich einige Kettenringe lösten. Im schumm -rigen Licht der Fackeln sahen die fallenden Ringe alt und verrostet aus. Wie seltsam. Dass man ihn mitsamt seiner Rüstung ins Lazarett gelegt hatte, war allerdings nicht min-der seltsam.
Immerhin war sein Schuhwerk unversehrt.
Die feinen und dennoch zähen Lederstiefel waren Latvenas Geschenk gewesen, als sie den ewigen Bund eingegangen waren.
„Mögen sie dich immer – egal wo du gerade bist – ge-schwind zu mir zurücktragen!“, hatte sie mit ihrem einzig-artigen Lachen verkündet.
Seine Latvena, die sich neben ihn auf seine Krankenstatt gelegt hatte, um ihm nah zu sein.
Trotzdem ließ ihm sein beschädigtes Kettenhemd keine Ruhe. Nochmals führte er seine Hand über den Riss. Und diesmal wurde die Gebärde von einer fernen Erinnerung begleitet, wie eine Taube, die nach langem Flug ihre Heimat wieder findet.
Mit einem gurgelnden Schrei fasste sich der Getroffene an den Hals und sackte zusammen. Doch für einen getöte-ten Feind tauchten zwei neue auf.
Mittlerweile war er einer der wenigen Verteidiger, der noch auf den Beinen stand und kämpfte. Es war an der Zeit, sich mit dem Tod abzufinden.
Nein! Er würde nicht sterben! Er würde siegen – so, wie er immer gesiegt hatte! Jeden, der ihn attackierte, schickte seine Axt in das Reich des Todes.
Aus dem Augenwinkel gewahrte er eine Bewegung. Einer dieser Feiglinge hatte sich von hinten angeschlichen!
Luthar duckte sich. Ein Lufthauch pfiff über seinen Kopf hinweg. Als Antwort schwang er seine Waffe wie eine Sichel und spürte, wie sie sich tief in weiches Fleisch fraß. Ein gellender Schrei drang an seine Ohren, doch es blieb kaum Zeit, sich über den Tod dieses feigen Hundes zu freuen, denn schon stürzte sich der nächste Angreifer auf ihn.
Abermals wurde Luthar gezwungen, ein Stück zurückzu-weichen. Mittlerweile hatte er schon mehr als die Hälfte der Brücke den
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