Sternenstaub (German Edition)
und Wangen spannte. In den kleinen Augen lag ein fiebriger Glanz. Auffordernd winkte er ihn heran.
„Ihr solltet einen guten Grund haben, um mich in meiner Ruhe zu stören“, grummelte Luthar, als er aufstand.
Das Gefühl, keine Luft zu bekommen, war verflogen.
„Ich hatte einen schönen Traum.“
„Gewiss“, antwortete der Mann.
Er war kein Krieger. Viel zu schmächtig.
Die dünnen Schultern stachen wie Zeltpfosten unter der violetten Robe hervor.
„Ihr habt … lang geschlafen. Aber das Reich ist in Gefahr.“
Luthar horchte auf. Alte Erinnerungen trieben durch seinen Kopf, doch griff er danach, zerfaserten sie wie Rauch, den der Wind hinfort blies.
„Was für eine Gefahr ist das?“, wollte Luthar wissen.
„Das werdet ihr erfahren. Der Kriegsrat versammelt sich bereits. Doch ohne euch will man keine Entscheidungen fällen.“ Der Mann lächelte schmallippig.
Darum bemüht, nicht geschmeichelt zu wirken, erwiderte Luthar großmütig: „Wohlan denn. Zeigt mir den Weg.“
Wieder malte sich Erleichterung auf das abgezehrte, bleiche Gesicht. „Wenn ihr mir bitte folgen würdet …“
Kurz drehte sich Luthar zu Latvena um, strich ihr mit der Hand durch das schwarze Haar.
„Ich bin bald zurück, mein Schatz.“
Er erwartete, dass sie sich regte oder irgendetwas murmelte, doch sie schlief weiter, und so folgte Luthar dem sonder -baren Mann.
Dass man ihm diesen Mickerling und keinen Krieger als Gesandtschaft geschickt hatte, ärgerte ihn.
Bevor er die Kammer verließ, fielen ihm die meisterhaft ge -fertigten Fresken und Steinfriese auf, welche die Wände schmückten. Sie zeigten einen Mann mit einer gewaltigen Axt, der mehrere Feinde bekämpfte. Das schwache Licht, das vom Ausgang her in die Kammer flackerte, glitt über das kalte Muskelspiel der Kämpfer. Wenigstens hatte er in einer Umgebung geruht, die eines Kriegers würdig war.
Plötzlich lag ihm ein Name auf den Lippen: Nasrûg.
Schemenhafte Gestalten - ihre Schwerter hoch zum Schlag erhoben - stürmten heran. Die Eindrücke wurden schärfer. Unter die Schreie mischten sich nun auch Hufgetrappel und der herrliche Klang aufeinander treffender Klingen. Seine Männer standen ihm an Verbissenheit in nichts nach, kämpften wie die Wölfe, doch die Verluste mehrten sich. Verglichen mit den gefallenen Feinden jedoch, deren Lei -chen einer grotesken Decke gleich den Boden bedeckten, waren es wenig.
Die Übermacht der Angreifer war drückend, und allen Hel -denmutes ungeachtet, scharte sich bald nur noch eine Handvoll Überlebender an seiner Seite.
Widerwillig gab Luthar das Kommando, zurückzuweichen. In der Ferne zeichneten sich silhouettenhaft die Türme einer Stadt ab.
Kalvahar. Die Haupstadt.
Der Feind durfte sie nicht erreichen.
An einer Steinbrücke formierte Luthar seine Streiter.
„Luthar von Roningen, folgt mir. Der Rat wartet“, riss ihn die krächzende Stimme des Mannes aus seinen Erinnerun -gen.
Luthar setzte sich wieder in Bewegung, auch wenn ihn die Eindrücke gerade verwirrten. Welchen Ausgang hatte die Schlacht genommen? Er lebte noch. Also mussten sie die Übermacht entweder geschlagen haben – was mehr als abwegig war – oder etwas anderes hatte sich ereignet.
Sie verließen das Gelass, in dem Luthar gelegen hatte, und betraten einen engen Gang. Fackeln in rußigen Eisenhal -terungen warfen tanzende Schatten an die groben Wände. Auf ihrem Weg kamen sie an ähnlichen Kammern vorbei, die im Halbdunkel lagen. Trotzdem konnte er sehen, dass sie verlassen waren.
Was für ein Ort war dies?
Am ehesten vermutete Luthar, dass dieser Wirrwarr aus Gängen und Räumen entweder eine von Menschenhand bearbeitete Höhle oder der unterirdische Teil einer Fes-tungsanlage sein musste, in der sich die Armee des Reiches sammelte – oder zurückgezogen hatte.
Natürlich! Luthar hätte sich am liebsten gegen den Kopf geschlagen ob seiner Torheit. Dieser Trakt beherbergte das Lazarett, und der Mann vor ihm musste ein Heiler sein, der schlicht und ergreifend eingeschüchtert war, dass er einen Helden wie ihn zum Rat geleiten durfte.
Für wie schwach hielt ihn der Rat eigentlich? Luthar ärgerte sich im nächsten Moment.
So schlimm konnte die Verletzung nicht gewesen sein.
Weder fühlte er sich müde, noch schmerzte ihn sein Kör-per. Trotzdem bedachte ihn der Heiler ab und an mit be-sorgten Seitenblicken und hielt die ganze Zeit eine Hand fest um den Anhänger einer Eisenkette
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