Sternenstaub (German Edition)
Sie stan-den im Halbkreis um einen Mann mit schwarzem Vollbart, der seine Hände hoch erhoben hatte. Sein Gesicht ver-härtete sich, als er Luthars Führer erblickte.
„Wo bist du so lange gewesen, Siklas? Wir müssen bald aufbrechen. Der Feind zieht plündernd und marodierend durch Kalvahar!“
„Meister, vergebt mir“, brachte Siklas schnaufend hervor. „Aber ich hatte große Schwierigkeiten, ihn unter …“
„Schweig!“, stürmte der Meister. „Genug der Ausreden! Ich werde den Heerführer übernehmen. Du bringst ihm seine Waffe“
Siklas eilte fort.
Plötzlich stöhnte der Meister auf, und seine Arme sackten nach unten, ehe er sich wieder fing. Seine dunklen Augen musterten Luthar erstaunt. Siklas tauchte wieder auf, eine wuchtige Axt in den Händen, die zu halten ihm sichtliche Mühe bereitete.
„Du hast recht“, sagte der Meister. „Etwas widersetzt sich meiner Magie.“
Luthar verstand nicht, was die beiden rede ten, aber der Anblick der Waffe…
Ja! Es war Nasrûg, seine Axt! Sie gehörte in seine Hände, nicht in die eines schwächlichen Heilers! Luthar trat vor, packte den Schaft und riss sie an sich.
„Was passiert hier?“ , rief der Meister, während Siklas zu-rück taumelte, seine Hände schützend vor das Gesicht er-hoben.
Luthar erkannte jetzt auch, was an Siklas´ Kette hing.
Ein kleiner Totenkopf.
„Wir müssen den Heerführer wieder unter Kontrolle brin -gen!“
Was war hier los? In Luthars Geist schwirrte das Wort Ma -gie umher. Dann erinnerte er sich der Worte des Königs.
Das Amulett! Mit seiner Linken umschloss Luthar das Geschenk des Königs.
Der Nebel, der seinen Verstand verwirrt hatte, lichtete sich. Und sein befreiter Geist begriff plötzlich!
Schon die ganze Zeit hatte sein Amulett die auf ihn ge-wirkte Magie gestört. Jetzt war sie endgültig fort, ihr läh-mender Bann gebrochen, ihre Illusionen zerstört.
Langsam wandte Luthar dem Kopf nach unten und be -trachtete seine Stiefel: Sie waren zerfallen, nicht mehr als schrumpelige Lederfetzen. Sein Kettenhemd war brüchig und mit einer dicken Rostschicht überzogen. Luthar hob das Blatt der Axt vor sein Gesicht. Ein bleicher Totenkopf spiegelte sich verzerrt wieder. Langsam senkte er die Waffe und betrachtete die vor ihm zurückweichenden Männer, ihre Münder vor Schrecken geweitet. Nun fiel Luthar auch ein, was die violetten Kutten bedeuteten: Dies waren keine Heiler!
Heilkundige trugen grün.
Violett – die Farbe der Nekromantie!
Sie hatten ihn aus seinem wohlverdienten, ewigen Schlaf gerissen, nachdem er auf der steinernen Brücke, über die ihn Siklas geführt hatte, an seiner Verletzung gestorben war. Hatten ihn von seiner Latvena getrennt, neben der er in der Grabkammer gelegen war.
Wie konnten sie es wagen!
Er hob die Axt, ließ sie schräg nach unten auf den Mann niedersausen, den diese Wichte „Meister“ nannten.
Das Gefühl, Nasrûg zu führen, hatte nichts von seinem Reiz verloren.
Sonnenuntergang
Marius Schlösser
Die Klinge der Axt des Scharfrichters funkelte in der rötlichen Abendsonne wie ein Strahl aus reinstem Licht.
Er stand nur da, ohne sich zu rühren, aufgestützt auf seine Waffe , umjubelt und zugleich geächtet vom Volk.
Er sollte nur seine Arbeit erledigen. Genauso, wie der Bä-cker das Brot backte oder der Schmied den Stahl formte.
Auch wenn er töten musste, es war nur ein Beruf. Eine Handlung, die frei von Emotionen sein musste und höchste Konzentration erforderte, wenn man dem Verurteilten den Gang in das Reich der Toten möglichst schmerzfrei eröff -nen würde.
Er hatte bereits viele bestrafen müssen und aus den zwanzig Jahren, die er bereits für das Gericht arbeitete, war mittlerweile eine eigene Routine geworden. Es endete meist so schnell, wie es anfing. Die Axt war mit größtmöglicher Sorgfalt geschliffen worden und der Schlag selber würde nur den Bruchteil einer Sekunde in Anspruch nehmen, wenn er es richtig machte.
Heute war es anders. Nicht nur der gewöhnliche Mob aus Schaulustigen, die nicht wussten, wie sie sich sonst amüsieren sollten, sondern fast jeder Einwohner der Stadt war gekommen. Tausende drängelten sich auf dem gepflas-terten Platz, wo morgens meist die Händler ihre Waren zum Verkauf präsentierten und abends Feiern und Feste stattfanden.
Das Volk schrie. Die Meisten aus Kummer. Zahlreiche Trä
Weitere Kostenlose Bücher