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Sternenstaub

Sternenstaub

Titel: Sternenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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zurück. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Bei Iason wusste man nie so genau. »Das wagst du nicht«, sagte ich und drohte mit allem, was ich an Gestik und Mimik zu bieten hatte.
    Er legte auf höchst außerirdische Weise den Kopf schief. »Andere Sterne, andere Sitten, oder?«
    Und im nächsten Moment hatte er mich auch schon wie einen Sack über seine Schultern geworfen.
    »Iason Santo! Lass mich sofort runter!«
    Lachend drehte er sich im Kreis. Ich trommelte auf seinem Rücken herum. Und dann lief er mit mir im Gepäck aufs Meer zu. Er würde doch nicht etwa … Nein, Hilfe! Iason wurde schneller. Ich hatte keine Chance.
    »Sag, dass du heute nur an dich denkst«, rief er mir durch den Wind zu.
    »Sag ich nicht!«
    »Störrisches Irdenweib!«
    Die Brandung wurde lauter. Ich trommelte noch wilder. Und dann sah ich das Weißwasser unter mir.
    »Hmmm, wie angenehm frisch. Ich verstehe gar nicht, dass ihr Irden keine Kälte mögt.«
    »Ich mach’s«, kreischte ich. »Ich mach’s und du bist mir heute total egal.«
    Iason wurde langsamer, lief auf den Strand zurück und stellte mich sehr zufrieden wieder auf die Füße.
    »Na siehst du, geht doch.«
    »Das war miese fiese Erpressung.«
    Mit einer anmutigen, selbstsicheren Bewegung kam er auf mich zu und führte meine Hand an seine Lippen. »Alles, was nötig ist.« Das schelmische Funkeln in seinen Augen sprach hierbei eine eigene Sprache.
    Ich wollte ihm einen kräftigen Schubs versetzen, aber als ich erkannte, dass wir inzwischen keine dreißig Meter mehr von der Wagenburg entfernt waren, wurde es ganz still in mir. Ich versuchte, meine aufkommenden Empfindungen mit einem Lächeln wegzukämpfen, aber ich konnte Iason nichts mehr vormachen. Ermutigend drückte er meine Hand und wir setzten uns nahezu zeitgleich in Bewegung.
    Wir erreichten die ersten beiden Wagen. Heruntergekommene Quader aus Blech, von deren Wandpaneelen graue Farbe abblätterte. Als wir uns ihnen näherten, tauchte ein Mädchen, ich schätzte sie auf etwa sechs, in zerschlissenem Trägerkleid dazwischen auf. Rufend und mit den Armen wedelnd, lief sie barfuß einem dreibeinigen weiß und braun gefleckten Hund hinterher, der mit hängender Zunge genau auf uns zuhechelte.
    »Benno«, rief die Kleine im Eilschritt, blieb aber stehen, als sie uns sah. Überrascht ging ich vor dem Hund in die Hocke und kraulte ihn am Genick. Er streckte genüsslich den Hals.
    »Oh Mann, ich kann es kaum glauben. Das ist der erste …« Ich stockte und eine ungewollte Erinnerung holte mich ein. Nein, es war nicht der erste Hund, dem ich begegnete. Damals im alten Bootsschuppen hatte Iason einem Hund mit seinem Schattenblick versehentlich das Leben genommen, versehentlich, weil der kleine Streuner sich hinter mir versteckt hatte. Eine erschütternde Erkenntnis, wie brandgefährlich Iasons Gabe in diesem Augenblick für mich gewesen war. Und eine noch viel bitterere Ermahnung, dass sich mit dem Schicksal, mit unserem Schicksal, nicht taktieren ließ.
    Dieser Hund aber hüpfte quicklebendig um mich herum und drückte sich an meine Beine, damit ich ihn weiter kraulte. Dem Mädchen passte das augenscheinlich gar nicht. Als die Eifersucht sogar über ihr Misstrauen siegte, kam sie näher und zog den Hund an seinem Halstuch mit sich.
    Ich ergriff die Gelegenheit. »Weißt du, wo David Wiedemann ist?«
    »Keine Ahnung.« Sie musterte uns feindlich. »Seid ihr von der Regierung?«
    »Nein«, ich versuchte es mit einem Lächeln. »Ich bin seine Tochter.«
    Sofort hellte sich die Miene des Mädchens auf. »Ach sooo«, sagte sie gedehnt, was ihre gesamte Erleichterung preisgab.
    Iason und ich wechselten Blicke. Was war hier los?
    Die Kleine wischte sich schniefend unter ihrer dreckverschmierten Nase entlang, ehe sie eine ausladende Armbewegung machte. »Kommt mit, ich bringe euch ins Lager.«
    Das Lager, wie die Bewohner der Wagenburg den Platz nannten, um den ihre Behausungen standen, wirkte etwas aufgeräumter und gepflegter, als ich es nach meinem anfänglichen Eindruck erwartet hätte. Sogar hier gab es also noch eine Hierarchie, dachte ich mir im Stillen, nur dass sie sich anders gestaltete, als wir es unter der Kuppel gewohnt waren. In der Mitte lebten die Bessersituierten, wenn man davon überhaupt sprechen konnte, und die noch Ärmeren am Rand, genau umgekehrt also. Aber dieser Gedanke kam mir nur flüchtig, vielmehr beschäftigte mich die Frage, wieso mein Vater dieses raue und spröde Dasein einem Leben mit meiner Mum und

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