Sternhagelgluecklich
Aufgabe, mich genau dorthin zu bringen, wo es wehtut. Das sind zum Beispiel meine Bauchmuskeln. Oder vielmehr ihre Abwesenheit.
Statt mit Dutzenden von Maschinen macht Marco mich mit einem Paar breiter Nylonbänder bekannt, an deren Enden je ein Griff mit Schlaufe baumelt. TRX heißt das Zeug, der neueste Fitness-Hype aus den USA – klein, leicht transportabel. Ich kann mir ein überhebliches Grinsen nicht verkneifen. Solange wir lockeren Gymnastikquatsch machen und keine Gewichte im Spiel sind, wird es allzu schlimm wohl nicht werden, denke ich mir.
Als mir nach zehn Minuten der kochende Schweiß von den Augenbrauen tropft und meine Muskeln anfangen, hilflos zu zittern, habe ich die erste von vielen Lektionen gelernt: Das Gewicht bin ich selbst. Und ein guter Trainer kann auch mit den einfachsten Hilfsmitteln ein Programm zusammenstellen, das einen an den Rand des Kollapses bringt.
Wie die Mehrzahl der Personal Trainer ist Marco dabei kein Drill Instructor , der nur brüllt und tadelt. Er ist kein fieser Coach, wie man ihn aus amerikanischen Highschool-Serien kennt. Er versteht sich eher als Motivator, der mich mit »Sehr gut!« und »Super!« anfeuert. Trotzdem lässt er im entscheidenden Moment nicht locker. Immer wieder korrigiert er mich. »Hintern hoch! Beine zusammenlassen! Nicht ins Hohlkreuz gehen!« Er kennt alle Ausflüchte und hat jede Schummelei, mit der sich der leidende Körper eine Erleichterung verschaffen will, schon hundertmal gesehen.
Außerdem kann er scheinbar meine Gedanken lesen. Denn immer, wenn ich mir denke, es geht rein gar nichts mehr, ruft er mir zu: »Komm, noch zwei Stück!«, oder: »Drei noch, dann hast du es geschafft!« Und natürlich sind diese letzten Wiederholungen tatsächlich immer noch machbar – alleine hätte ich mich nur nicht dazu gezwungen. Denn wie viele Gelegenheitssportler verlasse ich meine Komfortzone nur selten. Klar, es soll schon anstrengend sein, aber bitte nicht zu sehr! Dienst nach Vorschrift eben.
Ein Personal Trainer, der einem ständig im Nacken sitzt, weiß, dass noch ein bisschen mehr drin ist – und verlangt, dass man es liefert. Auch wenn einem danach kurz flau im Magen ist.
Bauchmuskeltraining statt Angry Birds
So wie mir jetzt. Mein Kreislauf hat sich verabschiedet, kalter Schweiß steht mir auf der Stirn. Die letzte Runde in der Bar gestern Abend hätte ich mir besser gespart. Ich will mir nichts anmerken lassen, aber Marco sieht es trotzdem. Er geht erst mal zu Dehnübungen über – und vermeidet so immerhin, dass ich auf die Trainingsmatte kotze. »Ich habe ja selbst manchmal auch keinen Bock zu trainieren und muss mich auch oft überwinden«, gibt der Mann mit den prallen Oberarmen und dem breiten Kreuz zu. »Manchmal fühlt man sich nach dem Sport nur erschöpft und leer. Aber wenn sich diese Leere dann füllt, dann ist das ein geniales Gefühl.«
In Ländern wie den USA oder eben Brasilien ist es längst normal, einen Personal Trainer zu haben. Nur langsam erreicht der Trend auch Deutschland. Abschreckend wirken dabei vor allem die Preise, die bei rund achtzig Euro pro Stunde beginnen. »Sich einen Personal Trainer leisten heißt für viele, die knappe Zeit, die sie für Sport aufwenden können, perfekt zu nutzen«, sagt Marco. Das Spektrum seiner Schützlinge ist dabei größer, als man zunächst annimmt, und reicht vom Dauerkunden, der mehrmals pro Woche mit ihm trainiert, bis zum Gelegenheitsnutzer, der den Trainer nur ein paar Mal bucht und versucht, dabei so viel Know-how wie möglich mitzunehmen.
Nach einigen Trainingseinheiten mit Marco weiß ich: Der größte Vorteil, den ein Personal Trainer mit sich bringt, ist die soziale Kontrolle. Allein seine Anwesenheit setzt meinem inneren Schweinehund einen äußeren Leoparden entgegen.
Das fängt schon beim Essen an: Als wir uns das erste Mal treffen, drückt Marco mir einen Stapel Blätter in die Hand, auf denen ich alles vermerken soll, was ich in den nächsten Wochen esse. Und ohne dass er mir auch nur einen einzigen Ernährungstipp gegeben hätte, esse ich ab diesem Tag vernünftiger. Denn im Grunde hatte ich ja immer sehr wohl gewusst, dass ein McRib-Menü als Zwischenmahlzeit nicht optimal ist. Aber es erfuhr ja niemand davon, wie ich es nachmittags am Bahnhof geradezu inhalierte.
Auch mit meinen Lieblingsausreden wie schlechtes Wetter, Müdigkeit oder einer durchfeierten Nacht ist jetzt Schluss. Schon der Gedanke, den Trainer anrufen und mich und meine schwächlichen
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