Sternhagelgluecklich
nachvollziehen. Als mir Tobi ein paar Tage später den Schlitten zurückbringt und mir auf seinem Telefon die Fotos von dem Nachmittag am Schlittenberg und von den strahlenden Augen der beiden Jungs zeigt, bin ich mir schon nicht mehr ganz so sicher.
Doch während für brasilianische Kinder der Berliner Winter ein eisiges Wunderland ist, schlägt er mir wie den meisten anderen Einheimischen eher aufs Gemüt. Die Bürgersteige sind vereist, und die Menschen hasten mit hochgeschlagenen Mantelkragen wortlos aneinander vorbei. Jeder ist in Eile, will möglichst schnell wieder ins Warme kommen. Dazu kommt die Dunkelheit, die sich nur für wenige Stunden pro Tag lichtet, einen aber zusätzlich müde und schwermütig macht – keine einfache Zeit für einen selbsternannten Glücksforscher! Es ist, als würde der Gegenwind auf dem Weg zur Zufriedenheit momentan eher stärker als schwächer.
Eine weitere Glückshypothese, die ich deshalb testen möchte, hat mit dem alten Ausspruch vom gesunden Geist in einem gesunden Körper zu tun. Mit der Theorie vom Runner’s High , das Läufer ab einem gewissen Zeitpunkt in eine zufriedene Trance versetzen soll. Aber auch mit der Werbung, in der uns dünne, sportiv gekleidete Menschen von Tennisplätzen, Rudergeräten und Yogamatten anstrahlen – so als sei ihr Leben ohne jeden Zweifel das beste, das es gibt. Kurz: Ich möchte wissen, ob Sport wirklich glücklich machen kann. Kann diese Schinderei, bei der man sich die Gelenke ruiniert und bei der es immer jemanden gibt, der besser ist als man selbst, tatsächlich einen frohen Menschen aus mir machen? Ich bin skeptisch.
Im Sommer schaffe ich es noch ab und zu, joggen zu gehen. Im Winter beschränkt sich meine sportliche Aktivität jedoch darauf, mir vorzunehmen, zwei Mal pro Woche das Rückentraining einer bekannten spartanischen Fitnesskette zu absolvieren – und dann ein Mal pro Monat wirklich hinzugehen. Ich fühle mich danach jedes Mal gut und zufrieden – oder wie der Journalist Alexander Gorkow es einmal in der Süddeutschen Zeitung in einem Interview mit Werner Kieser, dem Gründer der Fitnesskette, formulierte: »Man kann recht melancholisch zum Kieser-Training gehen, und nach 45 Minuten kommt man geduscht und aufgeräumt wieder heraus.« Trotzdem hält diese Erkenntnis, die ich nach dem Duschen voll und ganz unterschreiben kann, nie länger als einen Tag an.
Gut trainiert – im Erfinden von Ausreden
Wissenschaftler bestätigen auf Nachfrage gern die positive Wirkung von Sport auf unsere Psyche. Für eine vergleichende Studie ließen beispielsweise Psychologen der Oxford Brookes University Freiwillige im Alter von achtzehn bis zweiundachtzig Jahren Sport treiben, Musik machen, in die Kirche gehen oder Fernsehserien ansehen. Kurzfristig haben alle vier Aktivitäten für gute Laune bei den Teilnehmern gesorgt, so die Forscher Peter Hills und Michael Argyle. Ein dauerhafter Zuwachs an Zufriedenheit sei jedoch nur bei der Gruppe messbar gewesen, die sich für den Forschungszeitraum dem Sport verschrieben hatte. 10
Eine Erklärung, warum Sport uns glücklich macht, könnte das Flow-Prinzip sein, das der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi vor einigen Jahren beschrieben hat. Csikszentmihalyi – dessen Namen man seiner eigenen Empfehlung zufolge wie » chicks sent me high « aussprechen sollte – stammt aus Ungarn, lebt aber inzwischen in den USA . Mit dem Begriff Flow bezeichnet der Professor den tranceartig entspannten Zustand, in den man gerät, wenn man in einer Tätigkeit aufgeht, die man wirklich gerne ausführt.
Jeder kennt das Gefühl, wenn die »Zeit verfliegt«, wenn einem etwas »leicht von der Hand geht«. Welche Tätigkeiten dieses Gefühl auslösen, so Csikszentmihalyi, sei individuell sehr verschieden. Sport eigne sich jedoch aufgrund seiner Körperlichkeit ausgesprochen gut dafür, Flow-Erlebnisse zu produzieren. So schreibt der Psychologe: »Flow-Erfahrungen aufgrund körperlicher Fähigkeiten werden nicht nur bei hervorragenden athletischen Leistungen erlebt. Olympia-Kämpfer sind nicht die einzigen Begnadeten, die Freude daran finden, über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit hinauszugehen. Jeder Mensch, wie fit oder untrainiert er auch sein mag, kann ein wenig höher steigen, ein wenig schneller gehen, ein bisschen stärker werden. Die Freude daran, die Grenzen des Körpers zu überschreiten, steht allen zur Verfügung.«
Csikszentmihalyi hat sogar ein eigenes Buch über Flow-Erlebnisse im und beim
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