Sternhagelgluecklich
also beim Sport so wie ich stets die unangenehmsten Übungen an den Schluss schiebt oder auf dem Laufband regelmäßig einen erschöpfenden Endspurt hinlegt, muss sich nicht wundern, wenn seine Erinnerung negativer ausfällt, als sie eigentlich sein müsste, und er sich viel stärker überwinden muss, bis er sich beim nächsten Mal aufrafft.
Mein erster Schritt auf dem Weg zum regelmäßigen Training ist also, mir die letzte Viertelstunde so angenehm wie möglich zu machen, sei es, indem ich mir meine Lieblingsübungen für den Schluss aufspare, sei es, indem ich die sogenannte Abkühl-Funktion auf dem Laufband verwende, die ich sonst immer als Kinderkram verschmäht habe. Und es funktioniert tatsächlich: Ich habe den Eindruck, mich deutlich weniger überwinden zu müssen. Fast freue ich mich, wenn ich zu Hause die Sporttasche über die Schulter werfe. In der ersten Woche schaffe ich es tatsächlich, mich jeden Tag auf den Weg zum Sport zu machen.
Nimm’s ruhig persönlich
In der zweiten Woche lässt meine Disziplin jedoch plötzlich nach. Ich schiebe es auf die Eintönigkeit: Rückentraining, Laufband, Trimmrad – und wieder von vorne. Mehr Abwechslung gibt es für mich bei dem derzeitigen Winterwetter leider nicht. Als ich meinem Freund Tobi von meinen Schwierigkeiten erzähle, berichtet er mir von dem Personal Trainer, den er sich in den Jahren, die er beruflich in Brasilien verbrachte, geleistet hat. Zum einen, weil dort ein Personal Trainer nur wenig mehr kostete als der Mitgliedsbeitrag in einem Fitnessstudio, zum anderen weil seine Zeit damals so knapp war, das er jede Stunde Sport optimal nutzen wollte.
»Ich kann es nur empfehlen«, bestärkt er mich, als ich mich auf die Suche nach einem Personal Trainer mache, der meinen Sport-Ausreden ein Ende setzen soll.
Bei meiner Internetrecherche lande ich schließlich bei einem zertifizierten Trainer namens Marco. Das Foto zeigt einen gesunden Mann auf einem Segelboot – freundliche Augen, breites Kinn und Baseballcap. Er sieht zufrieden aus. Vielleicht ist er genau der richtige Helfer für meinen Marshallplan in Sachen Glück. Ein kurzes Telefonat, und eine Woche später geht es auch schon los.
Mein Gott, was bin ich stolz! Darauf, dass ich mich zu einer mir unmenschlich erscheinenden Zeit aus dem Bett gequält habe. Darauf, dass ich im Winterdunkel durch die ganze Stadt gefahren bin. Voller Tatendrang warte ich nun auf den Mann, der mich davon überzeugen soll, dass ein Personal Trainer mehr ist als nur ein Statussymbol. Und der Schmiere stehen soll, wenn ich auf der Autobahn zum Glück meinen inneren Schweinehund an der Raststätte zurückzulasse.
Der Stolz, so früh aufgestanden zu sein, verschwindet jedoch schlagartig, als ich erfahre, dass es für Marco, meinen Trainer, bereits der dritte Termin an diesem noch jungen Tag ist. »Um fünf war ich mit einer Kundin beim Laufen, danach habe ich mit ihrem Mann Krafttraining in ihrem Fitnessraum gemacht«, sagt der Dreiunddreißigjährige und sieht dabei ausgeruhter aus als ich nach drei Wochen Urlaub. »Jetzt schauen wir mal, was du draufhast.«
Das Programm, das er für mich zusammengestellt hat, basiert auf einem ausführlichen Aufnahmegespräch, bei dem wir zuvor meine Ziele erörtert haben (regelmäßig trainieren, Rückenschmerzen und Bauch weg, Muskeln und gute Laune her), sowie auf einer wissenschaftlichen Analyse, in der meine derzeitige Leistungsfähigkeit gemessen wurde. Mit zahllosen EKG -Kabeln beklebt und einer Sauerstoffmaske im Gesicht musste ich dafür unter anderem vor zwei Damen in weißen Kitteln bis zur Erschöpfung auf einem Fahrrad strampeln. Während mein Puls immer weiter anstieg und mein Schweiß auf den Linoleumboden tropfte, musste ich an »Rocky« denken. Im vierten Teil der Boxersaga trifft der Kämpfer aus Philadelphia auf einen russischen Herausforderer namens Ivan Drago. Während Rocky selbst in der verschneiten Natur mit Baumstämmen trainiert, wird sein Gegner in düsteren Labors mit Spitzentechnologie fit gemacht. Im Kalten Krieg war eben kein Klischee zu platt. Trotzdem: Zwischen den weißen Kitteln und Monitoren, behängt mit Kabeln und Schläuchen, fühle ich mich ein wenig wie der russische Boxer, als ich irgendwann entkräftet vom Trainingsgerät sinke.
Marco weiß nach dieser mehrstündigen Analyse sehr genau um meine Defizite – und während man selbst ja dazu neigt, diese zu übersehen und lieber da weiterzutrainieren, wo es ohnehin gut läuft, ist es seine
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