Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternhagelgluecklich

Sternhagelgluecklich

Titel: Sternhagelgluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
Vom Netzwerk:
Spielfeld laufen, auf dem zwei Minuten vorher noch die Profis umherrannten. Das Tiger-Maskottchen läuft vorneweg, Hunderte Kinder toben hinterher, die ganz kleinen noch an der Hand der Mutter oder des Vaters, die größeren in einem Wettkampf, wer am schnellsten ist.
    Bester Laune mache ich mich vom Stadion aus zurück auf den Weg ins Hotel. Ich durchquere Downtown, wie in vielen amerikanischen Großstädten kein lebendiges Zentrum, sondern eine der verlassensten Ecken der Stadt. Am Wochenende ist in den Bürotürmen nichts los, und hier in Detroit stehen die meisten ohnehin leer. Umso größer ist meine Überraschung, als ich im Schatten der Hochhäuser eine alte Synagoge mit bunten Glasfenstern sehe – und daneben eine winzige Bar. Sie scheint noch geschlossen zu sein, denn vor der Tür steht ein kleines Grüppchen herum und wartet auf Einlass. Ich will gerade fragen, ob sich das Warten lohnt und was sich hinter der Tür verbirgt, als diese aufgeht. Heraus kommt ein älterer Afroamerikaner, die grauen Haare streng nach hinten gekämmt, einen akkurat gepflegten Schnauzbart und ein strahlendes Lächeln im Gesicht. »Willkommen im Café D’Mongo’s Speakeasy«, begrüßt er die Gäste und hält die Tür auf. »Entschuldigt, dass wir erst jetzt aufmachen.« Dann fügt er in doppelter Lautstärke hinzu: »Eine Runde aufs Haus für alle, weil sie draußen in der Kälte warten mussten!«
    Die drei Frauen hinter der Theke rollen scherzhaft mit den Augen. »Du kannst doch nicht gleich die erste Runde ausgeben, Larry!«, ruft eine von ihnen. Sie trägt ein für ihr Alter gewagtes Top mit Leopardenmuster. Keiner der Gäste fordert die von Larry in Aussicht gegebene Runde ernsthaft ein, aber alle freuen sich über seine Großzügigkeit.
    Ich nehme auf einer lederbezogenen Bank an einem der sieben Tische Platz. An den Wänden hängen alte Mikrofone, Gitarren und andere Musikinstrumente und mit Goldfarbe angesprühte Schallplatten. Dazu unzählige Fotos in angestoßenen Rahmen, die aus der musikalischen Vergangenheit Detroits erzählen, wie zum Beispiel dem legendären Motown-Sound von Marvin Gaye, Stevie Wonder oder The Jackson Five.
    Der Laden füllt sich schnell, und man kommt automatisch ins Gespräch. Nach und nach erfahre ich mehr über diesen Ort: Er ist nur samstags geöffnet, es gibt nur zwei Gerichte auf der Karte, wer nicht in der ersten halben Stunde da ist, bekommt keinen Platz mehr – und Larry Mongo ist der Chef.
    Irgendwann setzt sich der Gastgeber auch an meinen Tisch und erzählt von seinen Reisen nach Deutschland, China und durch die ganze Welt. Als ich ihn frage, wie lange er die Bar schon betreibt, muss Larry lachen.
    »Eröffnet habe ich sie 1988. Aber 1993 habe ich sie für fünfzehn Jahre geschlossen«, sagt er. »Die Gegend war einfach zu gewalttätig. Nur noch Drogen und Schießereien.« Zur Neueröffnung kam es, als er merkte, dass sich die Lage gebessert hatte. »Ich saß häufig auf dem Gehsteig vor meinem geschlossenen Café auf einem Stuhl. Eines Tages sah ich ein paar junge weiße Frauen die Straße entlangrennen. Ich wollte schon die Polizei rufen, da merkte ich: Es war gar niemand hinter ihnen her. Sie waren einfach beim Joggen!« Larry Mongo muss kichern. »Jogging in Downtown? Das wäre früher unmöglich gewesen.«
    Am selben Tag, an dem er die mutigen Joggerinnen gesehen hatte, entschloss sich Larry Mongo, sein Café wieder zu öffnen.
    »Ich wollte zeigen, dass sich in Detroit etwas entwickeln kann. Dass wir uns nicht länger einschüchtern lassen dürfen. Ich habe nie Werbung gemacht, aber die Leute kamen plötzlich – und die meisten von ihnen kommen jede Woche wieder.« Er steht auf, geht in die Küche und holt das gegrillte Hühnchen, das ich bestellt habe. Dazu stellt er mir eine Flasche bayrisches Bockbier hin – wo auch immer er diese Rarität in Detroit aufgetrieben hat. »Lass es dir schmecken«, sagt er mit einem freundlichen Schulterklopfen, dann ist er auch schon wieder an der Tür. Dort begrüßt er die nächsten Gäste, die schon längst keinen Sitzplatz mehr finden, aber sich bereitwillig zwischen den Tresen und die Tische quetschen.
    Nach und nach bringe ich mehr über diesen fröhlichen Mann und seine faszinierende Geschichte in Erfahrung – manches von den Fotos an den Wänden, manches von anderen Gästen. Manches erzählt er selbst. Das Essen im »Café D’Mongo’s« wird abwechselnd von einem achtzig Jahre alten Freund namens Sleepy und einem von Larrys Söhnen

Weitere Kostenlose Bücher