Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternhagelgluecklich

Sternhagelgluecklich

Titel: Sternhagelgluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
Vom Netzwerk:
gekocht, und zwar immer noch nach Rezepten von Larrys Urgroßmutter, die früher als Sklavin in der Küche ihrer weißen Besitzer arbeiten musste.
    Larry findet immer einen Grund, jemandem einen Drink auszugeben. (»Ihr seid mit dem Taxi gekommen? Der erste Drink geht auf mich!«) Er kannte Michael Jackson ebenso wie den Mann, der bei den Aufständen in Detroit im Jahr 1967 den ersten Stein auf die Polizei warf. (»Hier irgendwo in diesem Laden muss ein Foto von uns beiden sein.«)
    Auf einem Foto aus früheren Jahren sieht man ihn und seine Frau Diane – sie sieht aus wie Aretha Franklin, er wirkt in seinem riesigen Pelzmantel wie ein schwerreicher Drogendealer, der er angeblich in den Siebzigerjahren auch war. (»Zum Glück hänge ich mittlerweile mit anderen Leuten rum als früher.«) Zu jener Zeit saß Larry Gerüchten zufolge zwei Jahre in einem chinesischen Gefängnis. (»Es handelte sich um eine dumme Verwechslung, nichts weiter.«)
    Er könnte viel mehr Geld mit seiner Bar verdienen, wenn er sie nicht nur einen Tag pro Woche geöffnet hätte, aber daran liegt ihm nicht. (»Es soll etwas Besonderes bleiben.«) Er will weiterhin jeden einzelnen Gast persönlich mit offenen Armen begrüßen. Geld ist ihm nicht wichtig. Einen Ort erschaffen zu haben, der ihn und seine Gäste einen Tag pro Woche glücklich macht, schon eher.
    An meinem letzten Tag in Detroit passiere ich wie an jedem Morgen der vergangenen Woche die Schranke des Parkhauses. Statt eines Kassenautomaten gibt es hier noch ein kleines Häuschen, in dem eine ältere Parkwächterin sitzt: »Ich kenn Sie doch!«, ruft sie erfreut, als ich ihr Parkschein und Geld durch das Fenster reiche. »Sie waren doch die letzten Tage hier in der Stadt unterwegs! Wo geht es denn heute hin?«
    Ich merke, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe scheinbar doch mehr aufgefallen bin, als ich es in einer Großstadt für möglich gehalten hätte. Ich antworte, dass ich mich leider auf den Weg nach Hause machen müsse.
    »Dann haben Sie eine gute und sichere Reise, und kommen Sie bald mal wieder vorbei, wenn es Ihnen in Detroit gefallen hat!«
    Als ich den Freeway in Richtung Flughafen entlangfahre und an den verfallenen Skeletten der einst stolzen Fabrikgebäude vorbeikomme, nehme ich mir fest vor, in ein paar Jahren wiederzukommen. Nicht nur um zu sehen, was aus den gepflanzten Bäumen geworden ist. Sondern auch weil ich gemerkt habe, dass die meisten Menschen in Detroit – von den bärtigen Baumpflanzern über Larry Mongo bis zu der freundlichen Parkwächterin – sich von den widrigen Umständen und dem wirtschaftlichen Niedergang nicht unterkriegen lassen. Weil sie ihren Optimismus und ihre Lebensfreude eben doch bewahrt haben – allen negativen Statistiken zum Trotz.
    1805, lange vor Henry Ford, der Autoindustrie oder der Flucht der Supermarktketten aus Detroit, brannte die Stadt nahezu komplett nieder. Aus jener Zeit stammt das Motto, das auf ihrer Flagge zu lesen ist: »Speramus Meliora – Resurget Cineribus«, steht dort zu lesen. »Wir hoffen auf bessere Zeiten – Sie wird sich aus der Asche erheben.« Worte der Hoffnung für die Stadt Detroit, die über zweihundert Jahre später immer noch gelten.
    Guerillas im Nebel
    Wieder zu Hause in Berlin angekommen ist trotz Jetlag schnell klar, was die einzige Konsequenz aus den Erlebnissen in Detroit sein kann: Ein eigener Garten muss her. Doch in einer Mietwohnung in einer dicht besiedelten Millionenstadt ist das leichter gesagt als getan. Wir besitzen sogar den Luxus eines Balkons – doch die Töpfchen mit Schnittlauch, Basilikum und Rosmarin, die jedes Mal eingehen, wenn wir in den Urlaub fahren, zählen in der großen Glücksbilanz des Lebens schwerlich als eigener Garten.
    »Vielleicht müssen wir uns unseren Garten einfach nehmen«, sagt Jessica und zeigt auf den freien Platz hinter dem Haus, den wir von unserem Balkon aus einsehen können. Es ist ein ungenutztes Stück Brachland, das zwischen der Rückseite unseres Mietshauses und einem alten Schwimmbad liegt, das seit über zwanzig Jahren nicht mehr genutzt wird. Eine große Platane steht mitten auf dieser Fläche, in der einen Ecke parken drei Autos eines örtlichen Carsharing-Unternehmens, in der anderen liegen mehrere große Steinblöcke, von denen wir nur ahnen, dass sie einst zur Fassade des altehrwürdigen Neorenaissance-Schwimmbads gehörten. Ansonsten ist das Areal verwaist.
    Leider bedeutet verwaist in einer Stadt wie Berlin auch immer: zur Mülltonne

Weitere Kostenlose Bücher