Sternhagelgluecklich
Arbeitslosigkeit, die in Detroit mit über zwanzig Prozent dreimal so hoch ist wie in anderen amerikanischen Städten. »Ich schämte mich anfangs hierherzukommen und mein kostenloses Essen in der Suppenküche zu holen«, erinnert er sich.
Er fing als Freiwilliger auf der Farm und im Gewächshaus an; seit einem Jahr ist er fest bei Earthworks angestellt. »Aber es ist viel mehr als ein neuer Job für mich. Ich bin endlich wieder Teil einer Gemeinschaft. Ich habe wieder eine Aufgabe, und mein Leben hat wieder einen Sinn«, sagt er. Weil ihn das Gärtnern im Kollektiv so glücklich mache, habe er sich inzwischen sogar auch zu Hause einen kleinen Garten angelegt: »Dort kann ich mein eigenes Essen anbauen«, sagt er. »Das macht Spaß und gibt mir das Gefühl, unabhängig zu sein.«
Zusammen mit ähnlichen Gruppen wie Greening of Detroit oder den Gardening Angels versucht Earthworks unter einer Dachorganisation namens Garden Resource Program Collaborative ( GRPC ), dem Abwärtstrend von Detroit etwas entgegenzusetzen. Neben der Armenspeisung in der Suppenküche bieten sie beispielsweise auch ein Jugendprogramm an, in dem Schüler wieder lernen sollen, dass zuerst die Kartoffel da war – und dann die Packung Pommes. 1234 private und gemeinnützige Gärten sind inzwischen unter dem Dach der GRPC entstanden. 55 000 kostenlose Packungen mit Samen und 240 000 Setzlinge hat die Organisation allein im Jahr 2010 verteilt, um Detroit grüner zu machen und die Lebensqualität der Menschen zu steigern.
Glücklich graben
Wie Stadtgärten und Psyche zusammenhängen, erklärt mir Katherine Alaimo, Ernährungswissenschaftlerin an der Michigan State University. Die zierliche Frau mit den brauen Locken sitzt in einem kleinen, vollgestopften Büro in East Lansing, ungefähr zwei Autostunden von Detroit entfernt. An der Universität begleitet sie mit ihrem Institut die Arbeit der GRPC von wissenschaftlicher Seite. Das bedeutet zum einen, Bodenproben zu nehmen, um sicherzustellen, dass das Gelände, das zu einem Gemüsegarten umgewandelt werden soll, nicht etwa durch Altöl verseucht ist. Zum anderen beschäftigt sich Alaimo aber auch mit den Auswirkungen, die solche Gemeinschaftsgärten auf das Leben der Menschen und deren mentale Verfassung haben. »Solche Gärten sind zum einen Nahrungslieferanten, lassen ein Viertel aber auch optisch schöner aussehen«, sagt sie. »Zusätzlich sorgen sie dafür, dass die Menschen sich heimisch fühlen und sicherer.«
In ihren Studien konnte Alaimo belegen, dass nicht nur der Wert der Grundstücke in Gegenden mit Gemeinschaftsgärten stieg, sondern auch die Laune der Anwohner: »Die Menschen beteiligen sich plötzlich, gehen wieder vor die Tür, kommen einander näher, lernen ihre Nachbarn kennen.« Gerade junge Menschen könnten von der konstruktiven Arbeit und dem daraus entstehenden Gemeinschaftsgefühl profitieren, so Alaimo, ihre sozialen und persönlichen Fähigkeiten verbessern – und sich nicht zuletzt gesünder ernähren. Dass Gemeinschaftsgärten sogar dazu beitragen, die Kriminalitätsrate zu senken, wie es Ella Bully-Cummings, die ehemalige Polizeichefin von Detroit, einmal gesagt hat, lässt sich bisher nur in Einzelfällen belegen. Unbestritten aber ist die Tatsache, dass Verwahrlosung, Drogenhandel und Vergehen wie illegales Müllabladen zurückgehen und sich die Bewohner eines begrünten Viertels deutlich sicherer fühlen.
Während meiner ersten Tage in Detroit konnte ich beobachten, dass Graben und Gießen die Menschen tatsächlich froh macht – und die Wissenschaftlerin hat es offiziell bestätigt. Es wird also höchste Zeit, es am eigenen Leib auszuprobieren. Heute bin ich als freiwilliger Helfer auf der Earthworks-Farm angemeldet. Patrick, der ernste Mann mit dem roten Bart, wartet schon auf mich. Er trägt eine Latzhose und eine kritische Falte zwischen den Augenbrauen. Auf den ersten Blick macht er keinen sehr glücklichen Eindruck. Aber das Leben eines urbanen Gärtners besteht eben keineswegs nur aus Sonnenstunden.
»In den letzten Wochen wurde dreimal in unser größtes Gewächshaus eingebrochen«, erklärt er der etwa zwölfköpfigen Helfergruppe. »Wir haben es jahrelang nicht abgesperrt, damit jeder, der mochte, hineingehen und sich beteiligen konnte.« Leider hatten Unbekannte diese Einladung falsch verstanden und in drei Nächten das Gewächshaus verwüstet. Setzlinge wurden aus der Erde gerissen, Pflanztöpfe umgeworfen und ausgeleert. »Und als wäre das alles
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