Sternhagelgluecklich
umfunktioniert. Hier ein kaputtes Fernsehregal, auf das jemand wie zum Hohn einen Zettel geklebt hat: »Zu verschenken!« Dort ein rostiges Fahrrad. Plastiktüten, vom Wind mal nach links, mal nach rechts getragen, und in der Ecke ein Ensemble aus leeren Farbeimern. Die Fotostrecken in Magazinen wie »LandLust« oder »Mein schöner Garten« sehen anders aus. Aber vielleicht besteht genau darin die Herausforderung.
In Gedanken sehe ich mich schon von Kopf bis Fuß in eine schwarze Ninja-Montur gehüllt und mit einem Spaten statt mit Wurfsternen bewaffnet um Mitternacht in den Hof schleichen und mit der Gartenarbeit beginnen. Wenn schon als Guerillagärtner unterwegs, dann auch mit Stil.
»Spinnst du?«, fragt mich Jessica belustigt. »Wenn wir da nachts rumbuddeln, ruft irgendein Nachbar sofort die Polizei – schon allein wegen des Lärms.«
Ein weiterer Vorteil des Heiratens: Man fühlt sich genauso oft als Idiot wie zuvor – ist aber immerhin mit jemand Klugem verheiratet.
Ich hänge also meine Ninja-Montur wieder in meinen geistigen Kleiderschrank – eines Tages wird ihr großer Auftritt kommen! Stattdessen gehen wir am folgenden Samstagnachmittag vollkommen unverdächtig in den Hof und beginnen, eine etwa vier mal vier Meter große Fläche umzugraben, die günstig von den alten, verwitterten Steinquadern abgeschirmt wird.
Unter dem Pflaster liegt der Strand – und unter dem Müll der Garten
Was beim Bäumepflanzen in Detroit dank des lockeren Bodens ein Kinderspiel war, wird hier zur Tortur. Der Boden, der sich unter einer Schicht von Laub und Dreck befindet, ist so hart, dass ich für einen Moment Beton vermute. Aber es ist einfach nur Erde, die jahrelang festgetreten und festgefahren wurde. Erde wohlgemerkt, die mit Ziegelsteinen, Glasscherben, Plastiktüten, Bleirohren und anderem Müll vermischt ist, den wir mit jedem zweiten Spatenstich zutage fördern. Nur die Faulen ziehen aufs Land, denke ich mir, während mir der Schweiß in den Augen brennt. Wir dagegen machen die Stadt wieder urbar!
Nach etwa zwei Stunden haben wir eine Fläche umgegraben und vom gröbsten Müll befreit, die einen echten Gartenbesitzer möglicherweise zu einem freundlichen Lachanfall bewegen würde. Aber wir sind stolz wie zwei Pioniere, die gerade ihren Claim im Wilden Westen abgesteckt haben.
Obwohl die Fläche so winzig ist, verschwinden die zwei großen Säcke Blumenerde, die wir am Vormittag herbeigeschleppt haben, darin wie eine Prise Salz in einem Topf Nudelwasser.
Für den Anfang pflanzen wir nur Blumen und ein paar Kräuter, da wir der Qualität und Sauberkeit des Bodens nicht ganz trauen. Denn egal wie glücklich einen ein Garten macht – Tomaten zu essen, die auf Batteriesäure und Altöl gewachsen sind, macht einen mit ziemlicher Sicherheit nicht lange froh. Immerhin sind die rostigen Eimer, die an der Wand des alten Schwimmbads stehen, nun zu etwas gut, denn das Regenwasser, das sich darin gesammelt hat, kommt uns gerade recht zum Gießen.
In der ganzen Zeit, die wir hier im Hof geschuftet haben, haben wir uns immer mal wieder umgesehen, ob uns jemand aus den umliegenden Fenstern beobachtet. Ob ein Hausmeister oder Wachmann des Schwimmbads um die Ecke kommt oder sonst jemand nach der Rechtmäßigkeit unseres Tuns fragen könnte. Aber nichts dergleichen ist passiert. Ich bin beinahe ein wenig enttäuscht, da ich meine flammende Rede, die ich um das Thema »Eigentum verpflichtet« herum gestrickt hatte, ebenso wieder nach Hause tragen muss wie die zwei Müllsäcke voll Schrott, den wir eingesammelt haben und die ich gerne jedem vor die Nase gehalten hätte, der mich gefragt hätte: »Was machen Sie denn da?«
Aber wenn sich niemand um unseren Geheimgarten kümmert – umso besser.
Nachdem wir uns den Schweiß abgeduscht und die Erde unter den Fingernägeln weggebürstet haben, treten wir auf unseren Balkon und schauen auf den Garten unter uns. Aus der Entfernung sieht das kleine Viereck, das wir geschaffen haben, deutlich kümmerlicher und krummer aus als aus nächster Nähe. Trotzdem hebt es sich positiv vom Rest des verlotterten Anwesens ab. Wir haben es, einer inneren Stimme folgend, fein säuberlich mit einem kleinen Steinmäuerchen vom Rest des Hofs abgetrennt. »Damit der Wind die Erde nicht wegträgt«, wie ich mich beeilte, laut zu versichern – offiziell an Jessica gerichtet, aber eigentlich an mich selbst. Denn es fühlt sich schlimm spießig an, noch bevor der Garten fertig ist, einen Zaun
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