Sternhagelgluecklich
ist da weniger zimperlich. Es gibt Forscher, die sich jahrzehntelang Zeit nehmen, um nachzuforschen, was Menschen im Lauf ihres Lebens froh macht. Sie beobachten ihre Testpersonen über einen längeren Zeitraum und protokollieren deren Lebensglück unbestechlich und nach konstanten Kriterien. Und plötzlich zeigt sich ein ganz anderes Bild: Mehrere Untersuchungen, die seit den Siebzigerjahren unternommen wurden, zeigen, dass die Lebenszufriedenheit von Paaren abnimmt, sobald das erste Kind da ist. Bis zum Kindergarten fällt die Zufriedenheitskurve steil ab, dann fängt sie sich noch einmal kurz, nur um in der Teenager-Phase der Kinder in noch tiefere Tiefen abzusinken. Erst ab dem Zeitpunkt, da das erste Kind das Haus verlässt, steigt die Glückskurve allmählich wieder an. Das Niveau aus der kinderlosen Zeit wird jedoch erst wieder erreicht, wenn alle, aber auch wirklich alle Kinder aus dem Haus sind – vorausgesetzt, dass dann beide Partner noch am Leben sind.
Das gleiche Bild zeigt sich, wenn man, statt aus der Vogelperspektive auf das ganze Leben zu schauen, einen einzelnen Tag betrachtet. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman 46 stattete eine Zeit lang Menschen mit einem kleinen Funkempfänger aus. Wenn das Gerät zu einem jeweils zufälligen Zeitpunkt piepte, sollte der Träger eingeben, wie glücklich er sich in diesem Moment gerade fühlte. Später wurde ausgewertet, womit die Person zum entsprechenden Zeitpunkt gerade beschäftigt war – und somit zugeordnet, welche Tätigkeit mit welchem Glücksniveau einherging.
Wenig überraschend ist, dass Sex sehr gut abschnitt (auch wenn man davon ausgehen kann, dass der Sex vermutlich noch glücklicher gemacht hätte, wenn die Versuchsperson dabei nicht auf einem kleinen piepsenden Kästchen hätte herumdrücken müssen). Auch Einkaufen, Sport und Fernsehen schnitten ganz gut ab. Auf den hinteren Plätzen lagen Arbeiten, Zur-Arbeit-Pendeln, Hausarbeit – und Zeit mit den Kindern zu verbringen. Die mit den Kindern verbrachte Zeit landete auf der Liste der Glücklichmacher sogar nur auf dem vorletzten Platz. Nur Hausarbeit wie beispielsweise Putzen oder Bügeln macht den Menschen im Durchschnitt noch weniger glücklich.
Erinnerung an die Erwartung
Doch wie kann es sein, dass wir uns so sehr selbst täuschen? Dass wir der festen Überzeugung sind, dass Kinder uns glücklich machen, wenn a) die Jahre, die wir mit ihnen verbringen, die am wenigsten glücklichen unseres Lebens sind und b) die Stunden, die wir mit ihnen verbringen, die am wenigsten glücklichen unseres Tages?
Mindestens vier Gründe kommen zusammen. Der erste ist soziale Erwünschtheit. Alle Eltern wollen gute Eltern sein, die glücklich über ihre Kinder sind – niemand möchte zugeben, dass seine Kinder ihm manchmal den letzten Nerv rauben. Das ist eines der letzten Tabus unserer Gesellschaft, in der sonst nahezu alles erlaubt ist. Ein Freund gestand mir einmal, in seiner Rolle als Vater nicht wirklich froh zu sein. Ich glaube, wenn er mir gestanden hätte, dass er betrunken jemanden angefahren hätte, wären sein Zögern, sein Bitten um absolute Vertraulichkeit und seine Scham nicht größer gewesen.
Der zweite Grund ist, dass wir etwas, wofür wir uns entschieden haben, automatisch besser finden als zu dem Zeitpunkt, bevor wir es hatten. Erinnern wir uns an die Studie, in der eine Hälfte der Teilnehmer einen Kaffeebecher bekam und sie der anderen Gruppe verkaufen sollte. Sobald die Tassenbesitzer die Tasse in Händen hielten, wurde sie als wertvoll erachtet, sodass die Tassenbesitzer im Schnitt das Doppelte dessen verlangten, was die andere Gruppe dafür zu zahlen bereit war.
Der dritte Grund hat damit zu tun, dass unsere Erinnerung, wenn es um Gefühle geht, unzuverlässig ist. Wir erinnern uns oft weniger deutlich daran, wie wir uns gefühlt haben, als vielmehr, wie wir vorher erwartet haben, uns zu fühlen. 47 Der Psychologe Daniel Gilbert erklärt das im Fall von Kindern sehr anschaulich: »Eltern in spe wissen zwar, dass schmutzige Windeln und Hausaufgaben auf sie zukommen. Sie wissen, dass Kieferorthopäden von ihren Ersparnissen nach Aruba fliegen werden – aber im Großen und Ganzen stellen sie es sich ganz angenehm vor, Eltern zu sein. Weshalb sich die meisten von uns auch für das Elternsein entscheiden. Wenn Eltern sich dann später daran erinnern, wie es mit den Kindern war, erinnern sie sich in Wirklichkeit an das Gefühl, das sie hatten, als sie sich darauf freuten,
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