Sternhagelgluecklich
nichts Besonderem, entpuppt sich aber als höllisch schwierig, wenn man es wirklich mal dauerhaft und bei jeder Gelegenheit versucht.
Am einfachsten ist es noch beim eigenen Partner. Sofern man nicht nur alle Schaltjahre ein Kompliment rausrückt, wird einem keine Berechnung unterstellt, wenn man das Outfit oder die Frisur lobt. Bei Fremden auf der Straße sieht es schon ganz anders aus.
Als ich auf dem Weg zum Supermarkt einer Frau ohne jeden Hintergedanken ein freundliches »Toller Mantel!« zurufe, sieht mich ihr Begleiter an, als wollte er mich gleich mit Lötkolben und Beißzange bearbeiten. Selbst die Empfängerin des Kompliments scheint sich nicht richtig darüber zu freuen. Merke: Komplimente an Frauen nur, wenn ich selbst in Begleitung bin, um jede Zweideutigkeit auszuschließen.
Ich versuche es stattdessen bei Männern. Das entpuppt sich ebenfalls als schwierig, wenn auch aus anderen Gründen: Damit Komplimente funktionieren, müssen sie wenigstens im Kern ernst gemeint sein. Bei Fremden beschränkt sich das natürlich meist auf Äußerlichkeiten. Ich sehe mich im Supermarkt um. »Toll, die langen Haare zur Halbglatze!« Soll ich wirklich …? Oder: »Diese riesigen knallroten Kopfhörer lassen deinen Kopf gleich viel kleiner wirken!«
Gar nicht so leicht, aufrichtige Komplimente zu verteilen. Nicht mal der Hundebesitzer freut sich, als ich auf seinen fröhlich wedelnden Jack Russell deute und sage: »Der ist aber niedlich!« Er schaut mich eher an, als wollte ich seinen Hund entführen, und zieht die aufrollbare Leine mit einem demonstrativen Schnurren ein.
Auf dem Nachhauseweg stehe ich schließlich mit einem Mann an der Ampel, der so wirkt, als könne er ein Kompliment aushalten, ohne sich sofort angemacht oder bedroht zu fühlen. »Das sind wirklich tolle Schuhe!«, sage ich zu ihm, lächelnd, ruhig, freundlich. Für einen Moment sieht er mich fragend an, so als warte er darauf, ob noch was kommt. Ob ich ihn mit gezogener Waffe auffordere, sie mir auszuhändigen – oder wenigstens, ob ich ihm als Nächstes ein Gratis-Abo einer Zeitung anzudrehen versuche. Doch als nichts dergleichen passiert und ich ihn nur weiter freundlich ansehe, muss er plötzlich lachen. »Danke, ich find sie auch gut«, sagt er. Die Ampel wird grün, wir gehen beide rüber. Ich zufrieden. Er kopfschüttelnd – aber auf eine amüsierte Art.
Komplimente auf offener Straße, beschließe ich zu Hause, sind mir ein zu brisantes Geschäft. Oder brauche ich einfach nur mehr Übung?
Fürs Erste beschließe ich, mich auf schriftliche Komplimente zu verlagern, und schreibe an verschiedene Kollegen. Dem einen gratuliere ich zum erfolgreichen Relaunch der Internetseite, die er betreut, einem anderen zu seinem tatsächlich sehr lesenswerten Buch, dem dritten zu einem guten und ehrlichen Artikel zum Thema Kinderkriegen.
Windeln und Weisheit
Seit über zehn Monaten bin ich nun schon in Sachen Glücksexperimente unterwegs. Eine der häufigsten Reaktionen von Leuten, denen ich davon berichte, lautet: »Dann müsst ihr aber auch noch ein Kind kriegen. Die machen glücklich! Wird aber zeitlich knapp, höhö.«
Es geht gar nicht darum, ob dieser augenzwinkernde Ratschlag wirklich so lustig ist, wie der Ratgeber denkt. Viel spannender ist: Er stimmt gar nicht. Kinder machen nicht glücklich. Dies ist kein Satz, mit dem man sich Beliebtheitspunkte verdient, ich weiß. Er sorgt eher dafür, dass sich bei der nächsten Party alle möglichst weit weg stellen. »Das ist der Typ, der Kinder hasst. Er hat diese scheußlichen Dinge geschrieben. Die niedlichen Kleinen würden nicht glücklich machen und so!« So ein Satz sorgt dafür, dass Gespräche verstummen, wenn man den Raum betritt. Dass einen böse Blicke treffen und man, wenn man nach Hause fahren will, keine Luft mehr in den Reifen hat.
Trotzdem: Der Satz mag unbequem sein, aber er stimmt. Kinder machen nicht glücklich. Doch wenn man Menschen fragt, die Kinder haben – egal ob Männer oder Frauen, Arm oder Reich, in Berlin-Mitte oder Oberammergau –, wenn man Eltern jedweder Couleur also fragt, was zu ihrem Lebensglück am meisten beiträgt, werden 99,9 Prozent von ihnen ein Foto ihrer Kinder aus der Brieftasche ziehen. Oder einem ihr iPhone hinhalten: ein Eis schleckendes, sommersprossiges Kindergesicht als Hintergrundbild. »Meine größtes Glück ist mein Kind«, sagen sie allesamt wie aus einem Mund. Und wer brächte es schon übers Herz, ihnen nicht zu glauben?
Die Wissenschaft
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