Sternhagelverliebt
das ist inakzeptabel.«
»Was?«, erwidert sie und sieht sie unschuldig an, während sie auf dem Stuhl neben mir Platz nimmt und langsam die Beine übereinanderschlägt. Jedes männliche Augenpaar verfolgt diese Bewegung. Sogar der Regisseur, den ich eigentlich für schwul gehalten hätte. Verdammt, vielleicht ist er sogar schwul. Sie ist einfach unwiderstehlich.
»Sie wissen schon, was ich meine, Amber. Gehen Sie sich bitte umziehen.«
Sie beachtet Saundra gar nicht. »Also, worüber sprechen wir heute? Kokain? Verflucht noch mal, ich liebe Kokain.«
»Amber.«
»Hey, Rodney«, sagt sie an den Regisseur gewandt. »Gib noch mal die Geschichte von der Party in den Hills zum Besten – mit den Schüsseln voller Kokain. Du erzählst sie so gut, dass ich fast das Gefühl habe, das Koks tatsächlich zu konsumieren.«
»Was für eine Party?«, fragt Rodney, und in seinem kantigen Gesicht blitzt Interesse auf.
»Amber!«
»Was!?«
»Wollen Sie, dass ich Sie zu Dr. Houston schicke?«
Amber dreht sich zu Saundra um und stemmt die Hände in ihre knochigen Hüften. »Was wird er denn tun? Mich ruhigstellen? ›Auf dem Gelände sind keine Drogen erlaubt!‹ Ha! Das gilt wohl nicht, wenn sie von Ihnen verabreicht werden. Das ist die Wahrheit!«
»Amber, bitte beruhigen Sie sich.«
»Warum? Warum sollte ich mich beruhigen?«
»Weil Sie die anderen Patienten verunsichern.«
Nein, das glaube ich nicht. Wenn man die Mienen der anderen so betrachtet, bietet Amber gerade die beste Unterhaltung seit langem. Und das hier ist eine Gruppe, die schon jede Menge unterhaltsamer Dinge gesehen hat.
»Was ist mit mir? Ist es egal, dass es mir nicht gutgeht?«
»Natürlich ist das nicht egal. Deshalb möchte ich ja, dass Sie zu Dr. Houston gehen.«
Saundra deutet mit einem Kopfnicken in Richtung Tür. Dort stehen zwei kräftige Pfleger – beide mit weißem Polohemd und Khakihose bekleidet.
Woher sind die so plötzlich gekommen? Saundra muss einen dieser »Ich bin gefallen und kann nicht mehr aufstehen«-Panikknöpfe in der Tasche haben, für die nachts im Fernsehen immer geworben wird.
»Evan, John. Bitte begleitet Amber zu Dr. Houstons Büro.«
Amber verengt die Augen zu schmalen Schlitzen. »Saundra, warum sind Sie so ein verdammtes Miststück?«
Saundra zuckt nicht mit der Wimper. »Amber, Sie wissen, dass diese Art von Feindseligkeit nicht akzeptabel ist. Ich hebe hiermit Ihr Recht auf, nach draußen zu gehen.«
»Aber das können Sie nicht machen!«
»Doch, das kann ich«, erwidert Saundra sanft.
»Scheißverfluchte Schlampe!«
»Das reicht jetzt. Evan, John.«
»Dafür werden Sie büßen, Saundra!«, schreit sie, als Evan und John sie hinauszerren. »Ich kenne wichtige Leute! Ich kenne verdammt noch mal wichtige Leute!«
Wir hören alle zu, wie ihre Schreie leiser und leiser werden, und sehen dann erwartungsvoll zu Saundra.
»Also gut, meine Lieben. Lassen Sie uns wieder an die Arbeit gehen.«
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7. Kapitel
Weiß Gott
Z wei Tage später schicke ich Bob eine Update-Mail.
DM V N ist sehr dünn (aber das wussten wir ja schon, stimmt’s?), und in Anwesenheit von anderen isst sie nie. Sie darf bestimmte Regeln missachten (wie zum Beispiel an Mahlzeiten teilzunehmen), andere jedoch nicht (keine Schauspielerei während der Gruppensitzungen – sie war deswegen zwei Tage lang »abgesondert«). Sie scheint die Entziehungskur nicht besonders ernst zu nehmen (Beispiel: »Verflucht noch mal, ich liebe Kokain!«). Sie taucht bei den Gruppensitzungen jeden Tag als eine andere Figur auf. Sie hat einen guten Sinn für Humor (manchmal auch böse). Sie ist klug. Sie mag Thunfisch.
Heute ist Amber wieder nicht zur Gruppentherapie erschienen, und ich fange an, mir Sorgen zu machen, dass sie gegangen sein könnte. Nach der Therapie verschwinde ich schnell in meinem Zimmer, um im Internet nachzuschauen. Dass DM V N die Therapie wieder abbricht, wäre sicherlich
die
Schlagzeile überhaupt, doch
CNN
und
Fox
bringen ausschließlich etwas über den Sexskandal eines Kongressabgeordneten. Allerdings finde ich eine Website, die sich
Amber-Alarm
nennt und per Livestream direkt vom Eingangstor der Entzugseinrichtung berichtet. Für mich der Beweis, dass sie sich noch immer irgendwo im Gebäude aufhalten muss.
Wer auch immer diese »Stalkerazzi«-Website gegründet hat, ist echt ein krankes Schwein.
Aber vielleicht sollten Leute, die in einer Glas-Entzugsklinik sitzen, nicht mit Steinen werfen.
Ich schicke meine
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