Sternhagelverliebt
versucht habe, Theater zu spielen, stand ich wie versteinert vor dem Publikum. Und die Vorstellung, vor Tausenden von Menschen zu singen …« Sie erschaudert.
Mann, ziemlich arrogant zu glauben, dass man vor Tausenden von Menschen auftritt. Andererseits würden vermutlich tatsächlich Tausende von Menschen zu einem Konzert von DM V N kommen.
»Soll es da nicht helfen, sich das Publikum nackt vorzustellen?«
»Nö, das Einzige, was hilft, sind Unmengen von Drogen und Alkohol.«
Ich lächele. »Also kein Plattenvertrag?«
»Kein Plattenvertrag. Im Übrigen habe ich schon genug andere Projekte, an denen ich arbeite.« Abwesend nimmt sie meine Ausgabe von
Hamlet
in die Hand.
»Was denn zum Beispiel?«
»Also«, sie senkt die Stimme und beugt sich zu mir herüber. »Ich sollte dir das eigentlich nicht verraten, aber … der Grund, warum ich das Zitat kannte, ist, dass meine Produktionsfirma momentan an einem Drehbuch dazu arbeitet.«
»Einem Drehbuch, basierend auf
One Headlight?
«
»Nein, du Dummerchen.
Hamlet.
« Sie wedelt mit dem Buch vor meiner Nase herum.
»Du produzierst einen Film frei nach
Hamlet?
«
»Jepp. Und ich werde darin eine Rolle übernehmen.«
»Du wirst die Ophelia spielen?«
»Nein, das ist eine blöde Rolle. Ich werde
Hamlet
spielen.«
Wie bitte?
»Aber er ist ein Mann.«
»Na und? Sie schreiben das um.«
»Ist das nicht ein ziemlich großer Eingriff in den Originalstoff?«
Sie schlägt das Buch auf und blättert es durch. »Ich finde, nicht.«
Aus Hamlet eine Frau zu machen soll also kein großer Eingriff sein? Die Oscar-Nominierung scheint ihr zu Kopf gestiegen zu sein.
»Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?«, beharre ich.
»Warum nicht? Früher haben Männer alle Rollen gespielt.«
»Ja, schon. Allerdings haben sie so getan, als wären sie Frauen.«
»Das kommt auf dasselbe hinaus.«
Ich beiße von meinem Sandwich ab, doch mir ist der Appetit vergangen. Ich weiß nicht genau, warum ich das Bedürfnis verspüre, Shakespeare gegen Leute wie DM V N zu verteidigen, aber ich bin bereit zu kämpfen.
Amber fängt an zu lachen. »Du solltest dein Gesicht sehen!« Sie lacht noch lauter. »Ich habe dich echt reingelegt!«
»Du übernimmst also keine Rolle in einem Remake von
Hamlet?
«
»Nö. Ich habe noch nicht einmal eine Produktionsfirma.«
Das hätte ich eigentlich wissen müssen, wenn man bedenkt, aus welchem Grund ich hier bin.
Ich versuche, zu lächeln. »Du hast mich ganz schön auf den Arm genommen.«
»Tut mir leid. Ich konnte nicht widerstehen.« Sie blättert wieder das Buch durch.
Tja, zumindest ist sie mir jetzt was schuldig, oder? Vielleicht kann ich das ausnutzen. Ich weiß zwar noch nicht genau wie, aber …
Mein Herz setzt einen Schlag lang aus. Scheiße, Scheiße, Scheiße, meine
Notizen
sind in dem Buch. Meine Notizen über unsere Unterhaltung in der Bibliothek sind nur noch ungefähr 30 Seiten von ihren schlanken, suchenden Fingern entfernt. Ich werde so was von auffliegen.
Unternimm etwas, Katie. Schnell.
In der nächsten Sekunde reiße ich ihr das Buch aus den Händen und drücke es an mein holperndes Herz. Sie blickt mich fragend an. Ich glaube, der Titel »Normalster Mensch in der Entzugsklinik« ist jetzt ernsthaft in Gefahr.
»Ich mag es nicht, wenn die Seiten geknickt werden.« Ich bemühe mich, den schrillen, psychotischen Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken. Ob es mir gelungen ist, weiß ich nicht.
»Okay«, erwidert sie und wirkt wieder gelangweilt. Sie wirft einen Blick auf ihre Uhr und steht auf. »Ich muss noch ein paar Sachen erledigen, bevor die Gruppentherapie anfängt.«
Klar, flüchte ruhig vor dem Psycho. Ich kann es dir nicht verübeln.
»Gut. Wir sehen uns später.«
Ein böses Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. »Ja, ich würde mir die Gruppensitzung heute auf keinen Fall entgehen lassen.«
»Warum nicht?«
»Du wirst schon sehen.«
Als ich den Gemeinschaftsraum zur Gruppentherapie betrete, frage ich mich, was Amber noch im Ärmel hat. Und die Antwort ist … nichts. Sie wartet, bis wir alle im Kreis sitzen, und betritt dann den Raum – splitterfasernackt.
Na ja, nicht total nackt. Als sie näher kommt, wird klar, dass sie eine Art Body trägt, der aus einigen Paaren Nylons gefertigt ist. Sie hat Blüten und Blätter aufgeklebt, um die strategisch wichtigen Stellen zu bedecken, aber trotzdem: im Großen und Ganzen wirkt sie
vollkommen nackt.
Saundra ist relativ unbeeindruckt. »Amber,
Weitere Kostenlose Bücher