Sternschnupperkurs
Küche. »Es dauert nicht lange.«
Erstaunt sah Suzy sie gehen. »Was sollte das denn?«
»Keine Ahnung. Hat irgendwas mit Jaz zu tun.« Harry beäugte die Tasse in ihrer Hand mit der Aura einer pingeligen, altjüngferlichen Tante. »Eigentlich hätte ich lieber frisch gemahlenen und keinen Instantkaffee.«
Es dauerte Ewigkeiten, bis Jaz an die Tür kam. Lucille wollte schon wieder gehen, und sein Anblick ließ sie daher zusammenschrecken.
Die blonden Haare von Jaz standen in alle Richtungen ab. In seinen dunklen Augen lag ein wildes, fast fiebriges Glänzen. Und unter seiner Antigua-Bräune war sein Gesicht bis zum Äußersten angespannt.
Eine panische Sekunde lang fragte sich Lucille, ob er etwas eingeworfen hatte. Sie wusste so gut wie nichts über Drogen, aber sahen so nicht Leute aus, die auf Speed oder Koks waren?
»Hurra«, sagte Jaz und zog sie ins Haus. »Wird auch Zeit.«
Oder auf Alkohol?
Ihr Magen drehte sich voller Panik. Lucille hoffte wirklich, dass er keinen Rückfall erlitten hatte. Er lallte nicht, aber vielleicht konnte er es einfach nur sehr gut verbergen.
Oh, bitte nicht, betete Lucille, während er sie durch den Flur zog. Sie bemühte sich, mit ihm mitzuhalten, beugte sich dabei nach vorn und versuchte – erfolglos – in seinen Nacken nach verräterischen Alkoholdünsten zu schnuppern.
Im nächsten Augenblick blieb Jaz an einem Treppenkopf abrupt stehen. Prompt lief Lucille auf ihn auf, und ihre Nase kam in schmerzhaften Kontakt mit seinem Schulterblatt.
»Aua … mein Gott, tut mir leid …«
»Was machst du denn da?« Jaz drehte sich überrascht um.
Ach, was soll’s, bringen wir es hinter uns.
»Dein Blick ist so merkwürdig und du scheinst irgendwie verändert«, verkündete Lucille tapfer. »Ich habe mich gefragt, ob du etwas getrunken hast.«
Anfänglicher Unglaube wich Erheiterung. »Nein«, sagte Jaz grinsend, »ich habe nichts getrunken.«
Also gut. Nächster Punkt.
»Was ist mit Drogen?«
Sein Grinsen wurde breiter. »Auch keine Drogen.«
Lucille fragte sich, warum er sie nach unten führte. »Wo ist Celeste?«
»Beim Einkaufen. Ich habe sie nach dem Mittagessen abgesetzt und bin direkt nach Hause gefahren.«
»Ich dachte, du wärst ausgegangen. Ich habe vorhin angerufen, und niemand hat abgenommen.«
»Man kann das Telefon unten nicht hören«, erklärte Jaz und führte sie am Swimmingpool vorbei.
»Aber du hast die Türglocke gehört.« Lucille runzelte die Stirn.
»Da sind wir.« Jaz öffnete die Tür zur Linken und schob Lucille hinein.
»O mein Gott.« Lucille schnappte nach Luft. »Das ist dein Aufnahmestudio!«
»Siehst du das Licht?« Er zeigte auf eine grüne Glühbirne, die an der Wand über der Konsole befestigt war. »Wenn jemand an der Haustür klingelt, geht es an.«
»Aber was machst du hier? Suzy hat erzählt, du hättest keinen Fuß mehr in dieses Studio gesetzt seit … seit …«
»Ich weiß, habe ich auch nicht. Aber jetzt ist das anders. Wenn du magst, kannst du dich setzen.«
Entgegenkommend zog Jaz einen Drehstuhl näher. »Fühle dich wie zu Hause.«
Lucille konnte sich nicht setzen. Ihr wurde in Sekundenschnelle klar, worum es hier ging.
»O nein, nein, nein«, stöhnte sie entsetzt. »Das war Suzys Idee. Sie hat dich dazu gebracht, nicht wahr? Sie hat dich dazu gezwungen … Ehrlich, du musst mir dein Aufnahmestudio nicht zur Verfügung stellen, und ich werde diese Frau höchstpersönlich erwürgen, sobald ich sie in die Finger bekomme …«
Lucilles beperlte Zöpfe klirrten vor Erregung, während ihr Kopf von einer Seite zur anderen schwang.
»Pst, beruhige dich.« Mit fester Stimme erklärte Jaz: »Das hat gar nichts mit Suzy zu tun, ich verspreche es. Niemand kann mich zwingen, etwas zu tun, was ich nicht tun will – und hier geht es auch nicht darum, dass ich dir das Studio zur Verfügung stelle.« Er zeigte geduldig auf den Drehstuhl. »Ich will nur, dass du dich setzt und zuhörst und mir deine ehrliche Meinung sagst.« Mit schwachem Lächeln ergänzte er: »Deine
brutal
ehrliche Meinung.«
Lucille wusste nicht, was sie sagen sollte, also setzte sie sich. Sie konnte sich nicht vorstellen, was sie gleich zu hören bekommen würde. Sie steckte die Hände zwischen die Knie und wartete, während Jaz ein Band einlegte, und sah sich dabei in der hochmodernen Einrichtung um. Andererseits, was wusste sie schon über Aufnahmestudios? Wenn hier drin alles mindestens dreieinhalb Jahre alt war, dann war es
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