Sternschnupperkurs
Abend gemacht?«
»Ich hatte ziemlich viel um die Ohren«, verkündete Celeste eifrig. »Ich habe nämlich deiner neuen Nachbarin beim Einzug geholfen.«
»Komm schon«, sagte Suzy zwei Stunden später. »Ich zeige dir meine, wenn du mir deine zeigst.«
»Du wirst dich vielleicht komisch fühlen«, warnte Lucille.
»Bestimmt nicht. Es interessiert mich. Oh, das ist echt toll!« Suzy breitete glücklich die Arme in Lucilles neuem Schlafzimmer aus. »Das ist so viel besser als Bowling. Ich hatte noch nie zuvor eine Mitbewohnerin.«
Lucille gab nach. Sie beugte sich auf die andere Seite des Doppelbettes und zog die Tasche hervor, in der Celeste zuvor gewühlt hatte.
»Warte, ich hole meine.« Suzy sprang vom Bett. »Wir wechseln uns ab. Lass uns vorn anfangen und alles miteinander vergleichen.«
Lucille sollte recht behalten; es fühlte sich komisch an, Fotos von der eigenen Mutter zu sehen, die plötzlich die Mutter von jemand anderem war. In einem fremden Haus, wie sie einen fremden Mann anlächelte, wie sie stolz ein fremdes Baby vorzeigte …
Nur dass es kein fremdes Baby war, musste sich Suzy immer wieder in Erinnerung rufen, es war Lucille.
»Du hattest
Haare
«, meinte sie vorwurfsvoll und stieß Lucille mit dem Ellbogen an. »Schau dich nur an, du hast toll ausgesehen. Also, es tut mir leid, aber das ist nicht fair.«
»Du hast doch auch süß ausgesehen«, protestierte Lucille und zeigte auf einen Schnappschuss von Suzy im Alter von sechs Monaten in ihrem Kinderwagen.
Das war frech gelogen.
»Ich habe ausgesehen wie ein Sumo-Ringer, und bis zu meinem zweiten Geburtstag war ich so kahl wie ein Ei. Laut meiner Mutter war ich das hässlichste Baby in Bristol.« Suzy seufzte und blätterte zur nächsten Seite in dem Fotoalbum. »Glücklicherweise hat sich das verwachsen. Ab meinem dritten Geburtstag war ich absolut umwerfend.«
»Und so bescheiden«, sagte Lucille, den Kopf über die Fotos gebeugt. »Ist das dein Dad? Er sieht nett aus.«
»Das wurde auf Julias Geburtstagsfeier aufgenommen. Sie war zehn, glaube ich, und ging stracks auf die fünfzig zu.« Suzy lächelte. Auf dem Foto posierte eine Gruppe von Mädchen herumalbernd für die Kamera, während Julia stocksteif danebenstand, in einem makellosen, blauen Festtagskleid mit weißen Kniestrümpfen, und die Hand ihres Vaters umklammert hielt.
»Wo ist Mum?« Lucille fiel auf, dass Blanche auf keinem der Fotos von Julias Geburtstag zu sehen war.
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich war sie bei dir«, sagte Suzy. Sie zeigte auf einen der Schnappschüsse in Lucilles Album, auf dem Lucille in einem Planschbecken saß und mit Wasser spritzte, während Blanche zusah. »Und da ist dein Dad.« Sie sah sich den lächelnden, dunkelhäutigen Mann neben Blanche genauer an. »Wow, sieht der gut aus.«
Sie blätterten weiter die Alben durch, verfolgten den gegenseitigen Verlauf ihrer Kindheit, verglichen Kleider, Frisuren und Ferien. Am Strand von Bournemouth mit Lucille, an einem Swimmingpool an der Algarve mit Suzy – ihre Mutter trug denselben Bikini mit gelben Gänseblümchen.
»In dieser Villa haben wir gewohnt«, sagte Suzy.
»Und das war unser Wohnwagen«, sagte Lucille. »In Mudeford.«
Suzy verspürte Schuldgefühle. »Hast du dir nie gewünscht, einmal ins Ausland zu fahren?«
Lucille wirkte erstaunt. »Wir hatten tolle Ferien. Solange Mum da war, war ich glücklich. Alles andere war unwichtig.«
Suzy versuchte immer noch sich vorzustellen, wie Blanche, nur mit dem Nötigsten ausgestattet, in einem schäbigen Wohnwagenpark zurechtkam.
In Mudeford, Dorset.
Und sich dabei auch noch amüsierte.
Das war wohl kaum der Sambesi, oder?
Suzy schüttelte den Kopf. »Sie muss dich und deinen Dad wirklich geliebt haben.«
Stolz erklärte Lucille: »O ja, das hat sie. Und wir haben sie geliebt.«
Merkwürdiger und merkwürdiger. Es klang, als sei Blanche Lucille eine bessere Mutter gewesen als sie es je für ihre richtige Familie gewesen war. Das würde natürlich einiges erklären, nicht zuletzt den Spielzeugpapagei aus Paraguay –
angeblich
aus Paraguay –, den Suzy später auf den Regalen eines Souvenirladens im Zoo von Bristol gesehen hatte.
»All die Jahre hat sie ein Doppelleben geführt«, murmelte Suzy. »O mein Gott, da ist Harry!« Froh über die Ablenkung zeigte sie auf das nächste Foto im Album, zwei Teenager auf Fahrrädern, die so taten, als würden sie sich gegenseitig aus dem Sattel stoßen wollen. Lucille, mit rappelkurzen
Weitere Kostenlose Bücher