Sternschnupperkurs
immer noch in der Furcht lebte, seine Freundinnen könnten letztlich doch seinen älteren Bruder bevorzugen.
In dem Versuch, auf neutralem Boden zu manövrieren, stellte sie ihm Fragen über seine Reise nach New York.
Nach ein paar Minuten sagte Leo sanft: »Hör damit auf.«
»Womit soll ich aufhören?« Suzy spürte, wie sie rot wurde.
»Du weißt womit, ich habe es dir schon einmal gesagt. Mach Harry nicht unglücklich.«
Verdammt, dachte Suzy, es war schon wieder passiert. Sie hatte mit Leo geflirtet, ohne es zu merken.
Trotzdem hätte er das etwas taktvoller formulieren können. Es bestand kein Grund, aus der Situation so ein Drama zu machen. Sie darauf hinzuweisen, war ja wohl kaum ritterlich zu nennen.
Da sie getroffen war, schoss sie zurück: »Schlechtes Gewissen?«
Leos dunkelblaue Augen wurden schmal. »Wie bitte?«
»Harry hat mir alles erzählt«, sagte Suzy. »Über dich und Sophia.«
Bildete sie es sich nur ein oder schwand die Anspannung aus seinen Schultern? Es trat eine Pause ein, dann sagte Leo: »Das habe ich mir schon gedacht. Tja, womöglich hast du recht.«
»Womöglich? Ach bitte«, tadelte sie. »Du hast ihm seine Freundin weggeschnappt, dann hast du sie sitzen lassen und sie hat sich umgebracht. Du verstehst doch wohl sicher, warum er sauer auf dich war.«
Leo ließ seinen Blick langsam über Suzy wandern, betrachtete das hautenge, weiße T-Shirt mit dem runden Ausschnitt, den pinkfarbenen Rock, die nackten braunen Füße, die sie auf das Balkongeländer gestellt hatte, und die teure Sonnenbrille, die sie auf den Kopf geschoben hatte und mit der sie die wilde dunkelblonde Haarmähne aus ihrem sonnengebräunten Gesicht hielt.
Nichts entging seinem Blick.
Schließlich sagte er: »Und du verstehst wohl auch sicher, warum ich nicht will, dass du Harry unglücklich machst.«
Diese Frechheit, dachte Suzy empört. Du warst doch derjenige, der Harry überhaupt erst ins Unglück gestürzt hat, und jetzt soll ich dafür leiden. Männer, also ehrlich.
Aber sie durfte nicht ausrasten. Ich muss reizend und zuvorkommend und charmant sein, dachte Suzy, fischte eine Zitronenscheibe aus ihrem Glas und biss fest zu.
O ja, sie musste nett zu Leo sein. Denn er war ein potenzieller Kunde und sie wollte ihm unbedingt ein Haus verkaufen … irgendein Haus, aber am liebsten das ihrer Mutter. Und man überzeugte Menschen nicht davon, ein Haus im Wert von Hunderttausenden von Pfund zu kaufen, indem man sie auf die Palme brachte.
Oder, wie in diesem Fall, mit ihnen flirtete.
Nicht einmal versehentlich.
»Wie auch immer«, Suzy wechselte rasch das Thema, »ich glaube, man darf dir gratulieren. Du wirst bald Vater!«
Das erzeugte die gewünschte Wirkung. Leos Augenbrauen schossen in die Höhe und er wäre beinahe an seinem Drink erstickt.
»Wie bitte?«
Suzy warf ihre Zitronenschreibe über das Balkongeländer in den darunter liegenden Garten und wartete höflich, bis er ausgehustet hatte.
»Gabriella, so heißt sie doch, oder? Du hast mir gar nicht gesagt, dass du heiraten willst! Laut Lucille will deine künftige Frau haufenweise Kinder.«
Es klingelte an der Tür, bevor Leo etwas erwidern konnte. Als Suzy unten die Haustür öffnete, stand Harry in Uniform vor ihr. Seine grüne Minna parkte vor dem Tor.
»O Gott, wollen Sie mich schon wieder verhaften, Officer?«, sagte sie laut genug, um von den beiden alten Tratschweibern gehört zu werden, die auf dem Gehweg vorbeigingen, das Gesicht versteinert vor Missbilligung.
»Nur, wenn Sie sehr, sehr unartig waren!«, verkündete Harry, ebenfalls lautstark und mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Oje, in Momenten wie diesen fiel ihr wieder ein, warum sie sich anfangs so zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Es ließ sich nicht leugnen, er war lustig und er sah definitiv umwerfend aus. Warum nur, dachte Suzy frustriert, warum nur ist das nicht genug?
»Leo ist hier.«
»Ich weiß. Er hat mich angerufen. Ich dachte, ich schau mal vorbei, wie es euch so geht.«
Er will sicherstellen, dass ich es nicht leidenschaftlich mit seinem Bruder auf dem Küchentisch treibe, dachte Suzy. Sie sah, wie ein weiteres Auto vorfuhr, etwas weiter vorn an der Straße.
Erstaunt sagte sie: »Meine Güte, da kommt Julia.«
»Ich habe im Büro angerufen«, verkündete Julia, die wie immer gleich zur Sache kam. »Rory hat mir erzählt, dass diese Person bei dir eingezogen ist. Um Himmels willen, hast du den Rest deines mickrigen Verstandes verloren?«
16. Kapitel
Suzy
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