Sternstunde der Liebe (German Edition)
mit Blues Hufen auf dem felsigen Boden schlug. Sie dachte darüber nach, wie kurz das Leben war und wie leicht man Fehler beging. Die Botschaft schien überall zu sein, in den Blättern, die über ihr rauschten, und in der Strömung des Flusses, der durch das Schilf an den schlammigen Ufern plätscherte.
Sie klammerte sich an Blues Mähne, ihre Gedanken überschlugen sich. Ohne dass sie ihn mit einem Schenkeldruck anspornen musste, verfiel Blue in einen leichten Galopp. Er preschte über den schmalen Pfad, so dass Rumer den Kopf einziehen musste, damit ihr die unteren Zweige der Bäume nicht ins Gesicht peitschten. Sie verschmolz mit ihrem Pferd, fühlte sich eins mit ihm. Es gab nur ein einziges Lebewesen, zu dem sie eine so innige Verbindung verspürt hatte. Zeb.
Sie dachte an Zeb, der wieder in Hubbard’s Point war und einen weiten Weg zurückgelegt hatte: von Kalifornien, von den Sternen, von der fernen Vergangenheit. Während sie an dem breiten Fluss entlanggaloppierte, betrachtete sie das Sonnenlicht, das sich wie ein Netz bis nach Hawthorne am anderen Ufer ausbreitete. Sie dachte an die Bande, die Menschen zusammenschweißten, und wusste, dass es nur zwei gab, die zählten: Liebe und der magische goldene Faden, der sich von der Kindheit bis in die Zukunft spannte.
Sie machte kehrt und ritt nach Hause.
26
D a er wusste, dass Rumer den ganzen Tag arbeiten musste, war Zeb zum Leuchtturm von Wickland Rock und zurück gerudert. Bei Einbruch der Dämmerung war er wieder zu Hause und fand eine brennende Votivkerze in dem Schuppen, in dem er seine Ruder aufbewahrte, zusammen mit der Nachricht: »Komm.« Ihre Handschrift war unverkennbar.
Verschwitzt vom Rudern, hielt Zeb sich nicht damit auf zu duschen. Er nahm die Abkürzung durch Hecates Anwesen, stieg über die Mauer in seinen ehemaligen Garten. Der Bauunternehmer hatte die Felsbank zum Sprengen markiert; er hatte Dachschindeln, zu Bündeln verschnürt, und eine Ladung Nutzholz dagelassen, damit die Arbeit gleich nach dem Labor Day beginnen konnte. Der Kaninchenbau roch nach Schädlingsbekämpfungsmitteln; die Vegetation im alten Garten war mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden, und die verdorrenden Pflanzen und Büsche lagen in Haufen neben dem gemauerten, offenen Außenkamin.
Zebs Kehle war wie zugeschnürt. Er dachte an all die Jahre, in denen er dem Anwesen fern geblieben war, bemühte sich um Gleichmut. Doch alle wichtigen Erinnerungen, seine stärksten Gefühle, fanden hier ihren Mittelpunkt. Er konnte es kaum ertragen, mit ansehen zu müssen, dass die Pflanzen seiner Mutter wie Abfall weggeworfen und der kleine offene Außenkamin – von seinem Vater aus Steinen vom Strand errichtet, ein Sammelpunkt, an dem zahlreiche Familienessen stattgefunden hatten – der Zerstörung anheim gegeben worden war.
Zeb blickte zu Rumers Haus hinüber. In jedem Fenster brannten Kerzen.
Obwohl die Blütezeit vorbei war, mussten die Lilien seiner Mutter, eine seltene Kreuzung, irgendwo in der Nähe eingepflanzt sein. Er starrte in die Dunkelheit und entdeckte die schlanken grünen Blätter, zerstampft und zertrampelt, wie eine verfilzte Fußmatte. Mit bloßen Händen grabend, tastete er mit den Fingern nach den röhrenförmigen Wurzeln. Eng nebeneinander gesetzt, waren sie leichter auszumachen als er gedacht hatte. Eins, zwei, drei … er grub fünfundzwanzig Liliengewächse samt Wurzeln aus, bevor er aufgab. Sie würden im nächsten Sommer erneut blühen – rostbraun, in einem tiefen Goldton, und dunkelrot. Er trug sie in Rumers Garten, kniete sich auf den Boden und pflanzte sie rund um das Einstiegsloch zum steinernen Stollen wieder ein, von dem er hoffte, dass er zum neuen Zuhause der Kaninchen geworden war.
»Was machst du da?« Rumer stand an der Küchentür.
Zeb blickte hoch, strich sich mit seinen schmutzigen Händen die Haare aus den Augen. »Ich habe dir Blumen mitgebracht. Ich möchte die Lilien meiner Mutter jemandem schenken, der sie zu schätzen weiß.«
»Oh Zeb …« Brach ihre Stimme? Das Küchenlicht fiel von hinten auf ihre Gestalt, ihr Gesicht befand sich im Schatten. Sie kam zu ihm, und als sie sich niederkauerte, sah er, dass sie lächelte. Tränen schimmerten in ihren Augen. Er rückte zur Seite, um ihr Platz zum Graben zu machen, und sie machte sich unverzüglich an die Arbeit, wühlte mit beiden Händen in der Erde.
Ihr Baumwollkleid umhüllte ihren Körper wie eine zweite Haut; Zeb sah, wie schmal und zerbrechlich sie war, und fand
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