Sternstunde der Liebe (German Edition)
es ungemein erregend, sie in der Erde graben zu sehen. Sie trug eine große schwere Uhr an ihrem linken Handgelenk, die sie immer wieder nach oben aus dem Weg schob. Sie duftete nach Verbenen und Lavendel – vielleicht war es aber auch nur der berauschende Duft, den die Meeresbrise aus dem Kräutergarten herübertrug.
»Die Blumen sind wunderschön, Zeb.«
»Warte ab bis zum nächsten Sommer, wenn sie blühen.«
»Hast du meine Nachricht erhalten?«
»Habe ich.«
»Ich habe den ganzen Tag auf dich gewartet. Und früher Schluss gemacht in der Praxis.«
»Wieso das?«
»Blue ist aus seinem Stall rausgeflogen.«
»Was?«
»Edward hat sich frisch verliebt und beschlossen, es sei an der Zeit, ein neues Kapitel in seinem Leben aufzuschlagen. Deshalb bat er mich, eine neue Bleibe für Blue zu suchen …«
»Und wo?«
»Keine Ahnung. Ich könnte die alte Scheune wieder aufbauen, unweit der Praxis – erinnerst du dich?«
»Wo Old Paint untergestellt war.«
»Ja. Das alte Pferd.«
»Früher wolltest du dich immer heimlich in den Stall schleichen und ihn reiten.«
»Das erste Pferd, das ich geliebt habe. Und die erste Liebe nimmt einen hohen Stellenwert im Leben ein.«
»Das ist richtig.« Zebs Herz hämmerte. »Was glaubst du, wie Blue es aufnimmt?«
»Blue versteht es. Er ist ein Schatz. Mein bester Freund, zuverlässig und treu. Ich hatte in meinem ganzen Leben nur einen, der sich mit ihm messen könnte.«
»Und wer soll das sein?« Zeb drehte sich um und sah sie an. Ihre Blicke trafen sich; ihre Augen waren dunkelblau, blitzten im Sternenlicht und hatten die Farbe einer Meeresbucht im Norden. Er konnte nicht widerstehen, den Arm auszustrecken und mit seiner schmutzverkrusteten Hand ihre Wange zu streicheln.
»Du … Zeb. Du bist mein bester Freund.«
»Dein Freund hat viele Fehler begangen«, flüsterte er. »Fehler, die er nicht vergessen kann.«
»Das hat jeder.« Rumers küsste die Innenfläche seiner Hand.
»Dein einziger Fehler war, überhaupt etwas für mich zu empfinden«, sagte Zeb und näherte sich ihrem Gesicht.
»Du irrst. Das ist das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte. Das wurde mir heute Morgen klar, nachdem Edward mir mitgeteilt hatte, dass ich mir eine andere Bleibe für Blue suchen muss. Ich raste nach Hause zurück – konnte es nicht erwarten, dich zu sehen. Alles verändert sich so schnell im Leben, Zeb. Ich möchte das Einzige festhalten, das wirklich unvergänglich ist …«
Rumer hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Ihre Augen, die gerade noch wild gefunkelt hatten, als sie ihm von Blue berichtete, füllten sich nun mit Frieden, Heiterkeit und tiefem Verständnis. Er beugte sich noch näher zu ihr, strich ihr das weizenblonde, silbrig glänzende Haar aus den Augen und küsste sie.
Die Sterne waren zum Greifen nahe. All die Jahre, in denen er in den Weltraum geflogen war, auf der Suche nach fernen Welten, erschienen ihm wie ein Irrweg: Die wirklich wichtigen Sterne waren hier, am Himmel über Hubbard’s Point. Zeb hatte diesen Augenblick lange herbeigesehnt, sein ganzes Leben. Rumer war die große Liebe seines Lebens, und es gab kein Zurück. Sie küssten sich, als gäbe es nur noch das Morgen, als wäre der Rest bereits vergeben und vergessen.
Als sie sich voneinander lösten, war die Nacht still, bis auf das Zirpen der Grillen in den Geißblattgewächsen und der Wanderheuschrecken in den Eichen. Rumer klammerte sich an ihn, kniete auf der Erde, und er hielt sie in den Armen, als wollte er sie nie mehr loslassen.
»Ich habe deine Spuren vom Weltraum aus verfolgt«, flüsterte er. »Immer … sogar in der Zeit, als ich mit Elizabeth zusammen war. Ich habe die ganze Zeit nach dir Ausschau gehalten.«
»Und ich habe dich die ganze Zeit, während ich hier auf dem Kap war, Tiere behandelt habe … auf Blue geritten bin, vermisst.«
An ihrem zarten Handgelenk befand sich eine alte Uhr ihres Vaters. Aus Gold, mit einem schwarzen Lederband, ein Abschiedsgeschenk des Lehrerkollegiums von Black Hall, als er in den Ruhestand ging. Zeb erinnerte sich, sie auf einem Foto zu einem Zeitungsartikel über Sixtus gesehen zu haben.
»Dein Vater hat sie dir geliehen«, sagte er und wischte mit der Hand die Erde von dem Band.
»Ja.« Ihre Stimme klang fest. »Während des Törns trägt er seinen Chronometer als Navigationshilfe.«
»Er wollte dir einen Teil von sich selbst dalassen, etwas, woran sein Herz hängt.« Zeb blickte in ihre blauen Augen. »Weil er dich
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