Sternstunden des Universums
Kohlenstoff verschmelzen. Astrophysiker bezeichnen diesen Vorgang als »Heliumbrennen«.
Damit sind wir bei dem Prozess angelangt, dem der Kosmos den Kohlenstoff verdankt. Bevor wir uns näher damit beschäftigen, wollen wir noch kurz die Elemententstehung in den Sternen zu Ende bringen. Massereiche Sterne lassen auf das Heliumbrennen noch weitere Brennstufen folgen: das Kohlenstoffbrennen, das Neonbrennen, das Sauerstoffbrennen und schließlich das Siliziumbrennen. Mit dem Siliziumbrennen, bei dem das Element Eisen fusioniert wird, bricht die Fusionskette in den Sternen ab. Eine Verschmelzung von Eisen zu noch schwereren Elementen würde keine Energie mehr freisetzen, vielmehr müsste Energie aufgewendet werden, um den Prozess in Gang zu setzen. Die Elemente schwerer als Eisen, beispielsweise Blei, Gold und Uran, entstehen nicht mehr über Kernfusionsprozesse, sondern durch den Einfang von Neutronen. Letztlich entstehen aber alle Elemente schwerer als Helium in den Sternen, entweder durch Kernfusion oder durch Neutroneneinfang, wobei man, streng genommen, auch diesen als einen Kernfusionsprozess betrachten kann, jedoch mit Neutronen. Ohne die Elemente wäre unser Kosmos im wahrsten Sinne des Wortes »einförmig« geblieben, und Leben hätte auch nicht entstehen können (Abb. 27).
Abb. 27: Durch Kernfusion entstehen in einem massereichen Stern bei stetig steigenden Temperaturen immer schwerere Elemente. Die Reaktionskette beginnt mit der Fusion von Wasserstoff zu Helium und endet mit dem Siliziumbrennen, wobei die Elemente Eisen und Nickel »erbrütet« werden.
Wie der Kohlenstoff und all die anderen Elemente entstehen, ist damit grob skizziert. Aber wieso erscheint den Astrophysikern der Schritt vom Helium zum Kohlenstoff als so wunderlich, dass sie sogar von einem »Kohlenstoffparadoxon« sprechen? Was soll paradox sein an der Verschmelzung von drei Heliumkernen zu einem Kohlenstoffkern, dem Prozess, den man auch als »Triple-Alpha-Prozess« bezeichnet? Ursache dieses Paradoxons ist die Tatsache, dass es eigentlich gar keinen Kohlenstoff geben dürfte. Lange Zeit glaubte man, ein Kohlenstoffkern könne nur entstehen, wenn drei Heliumkerne, auch »Alpha-Teilchen« genannt, exakt zur selben Zeit aufeinandertreffen und miteinander verschmelzen. Doch diese Idee führt schon mitten in das Problem. Dass drei Heliumkerne gleichzeitig zusammenstoßen, ist extrem unwahrscheinlich! Sicher kommt das gelegentlich vor, aber der hohe Kohlenstoffanteil im Kosmos kann so nicht entstanden sein.
1952 schlug daher der österreichisch-australisch-amerikanische Astrophysiker Edwin E. Salpeter einen anderen Weg vor: Zunächst vereinigen sich zwei Heliumkerne zu einem Kern des Elements Beryllium. Anschließend kollidiert der Berylliumkern mit einem weiteren Heliumkern und fusioniert zu Kohlenstoff (Abb. 28). Gute Idee! Doch damit das funktioniert, bedarf es einiger glücklicher Umstände. Zum einen ist der Berylliumkern instabil und zerfällt bereits nach 10 -16 Sekunden wieder in zwei Heliumkerne. Dem dritten Heliumkern steht also nur ein extrem enges Zeitfenster offen, in dem er mit dem Berylliumkern kollidieren kann. Zum anderen ist die Fusion von Beryllium und Helium zu Kohlenstoff nur dann ausreichend wahrscheinlich, wenn das Beryllium-Helium-Paar in »Resonanz« mit dem Kohlenstoffatom steht. Das heißt: Die Bindungsenergie von 7,37 MeV, die bei der Vereinigung von drei Heliumkernen zu einem Kohlenstoffkern frei wird, muss einem Energieniveau des Kohlenstoffs möglichst nahe kommen. Doch von einer derartigen Übereinstimmung wusste man 1952 nichts.
Abb. 28: Der Triple-Alpha-Prozess. Bei der Fusion des Elements Kohlenstoff entsteht zunächst aus zwei Heliumkernen (Alpha-Teilchen) ein Berylliumkern, der sich mit einem weiteren Heliumkern zu Kohlenstoff verbindet.
Die Lösung des Problems zeichnete sich ab, als der Astrophysiker Fred Hoyle die Temperatur im Zentrum massereicher Sterne bestimmt hatte, also da, wo die Fusion von Helium zu Kohlenstoff stattfindet. Nach Hoyles Berechnungen herrscht dort eine Temperatur von rund 100 Millionen Grad. In diesem Umfeld gewinnen Teilchen eine kinetische Energie von rund 0,3 MeV. Stoßen also ein Beryllium- und ein Heliumkern in diesem heißen Milieu zusammen, so kommt zur frei werdenden Bindungsenergie des Beryllium-Helium-Paares noch deren kinetische Energie hinzu, so dass die Gesamtenergie nach der Kollision rund 7,65 MeV beträgt. Gestützt auf dieses Ergebnis, wagte Hoyle die
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