Sternstunden des Universums
entgegengesetzt gerichtete enge Materiebündel, sogenannte Jets, durchbrechen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit die Sternhülle parallel zur Rotationsachse des Schwarzen Lochs. Der Aufprall der Jets auf die umgebende Sternhülle und das spätere Auftreffen auf das dünne Gas in der Umgebung des Sterns, das sogenannte interstellare Medium, verursacht Schockwellen, in denen die Materie so stark aufgeheizt wird, dass es zur Emission hochenergetischer Gammastrahlung kommt.
Vorausgesetzt, die Gammaquanten einer gegenüber einer SN 1000-mal »stärkeren« Hypernova verteilen sich gleichmäßig in alle Richtungen im Raum, dann wäre die Bestrahlung der Erdatmosphäre aus einer Entfernung von 7500 Lichtjahren kurzfristig so intensiv wie durch etwa 1000 solare Flares. Obwohl das vermutlich nicht mehr zu vernachlässigende Auswirkungen auf die irdische Lufthülle und auf empfindliche belebte Strukturen hätte, soll das nicht näher untersucht werden, denn nach allem, was die Astronomie bisher über Gamma-Ray Bursts in Erfahrung gebracht hat, dürfte sich die Strahlung nicht so ausbreiten wie soeben beschrieben. Entsprechend den gängigen Modellen ist auch die Strahlung eines Gamma-Ray Burst wie die ausgeworfene Materie in zwei engen, in entgegengesetzte Richtungen weisenden Strahlenkeulen konzentriert. Weist eines dieser Strahlenbündel in Richtung Erde, so kann das, je nach Entfernung der Quelle, zu erheblichen Gammabelastungen von einigen Joule pro Quadratzentimeter führen. Im Jahr 2005 haben amerikanische Wissenschaftler untersucht, was das für die Erdatmosphäre und insbesondere für die Ozonschicht bedeutet. Für ihre Berechnungen gehen sie von einem »typischen« Gamma-Ray Burst in einer Entfernung von 2 kpc aus – was übrigens gut mit der Entfernung von Eta Carinae übereinstimmt – und einer zehn Sekunden andauernden Strahlenbelastung der Erdatmosphäre von einem Watt pro Quadratzentimeter. Am Ende der Bestrahlung hat sich das auf einen Energieeintrag von 10 Joule pro Quadratzentimeter summiert. Rechnet man diese Daten in einen sich von der Quelle kugelförmig ausbreitenden Strahlungsfluss um, so hätte die Quelle eine Gammastrahlungsleistung von rund 5 × 10 44 Joule pro Sekunde.
Bei einer Erde ohne Atmosphäre wären die Folgen katastrophal. Ein der Strahlung ausgesetzter Mensch, so er denn ohne Luft leben könnte, wäre sehr wahrscheinlich augenblicklich tot! Ein frontal zur Quelle stehender Mensch mit einer Körperoberfläche von rund einem Quadratmeter erhielte eine Ganzkörperdosis von etwa 100000 Joule. Für eine 80 Kilogramm schwere Person ist das über 100-mal mehr als die letale Dosis. Glücklicherweise hat die Erde eine schützende Lufthülle, die Gammastrahlung, allerdings um den Preis einer mehr oder weniger tiefgreifenden Zerstörung der Ozonschicht, sehr effektiv absorbiert. Das beginnt damit, dass in der Stratosphäre die starke Dreifachbindung der Stickstoffmoleküle (N 2 ) durch die hochenergetischen Photonen aufgebrochen wird, wobei je zwei freie Stickstoffatome entstehen. Die Stickstoffatome verbinden sich dann sehr schnell mit dem Sauerstoff der Atmosphäre zu Stickoxiden, vornehmlich NO. Trifft sodann ein NO-Molekül auf ein Ozonmolekül (O 3 ), so entreißt es dem Ozon ein Sauerstoffatom, und es bildet sich ein NO 2 - und ein Sauerstoffmolekül (O 2 ). Schließlich reagiert noch das NO 2 -Molekül mit einem weiteren Sauerstoffatom zu NO und O 2 . Als Quintessenz dieser Reaktionskette sind aus einem Ozonmolekül und einem Sauerstoffatom zwei Sauerstoffmoleküle entstanden. Das Ozon existiert nicht mehr.
Fragt sich: Wie hoch ist der Grad der Ozonzerstörung bei dem von Brian C. Thomas und Kollegen angenommenen »typischen« Gamma-Ray Burst? Wie die Simulationen zeigen, trifft, unmittelbar nachdem die Gammastrahlung die oberen Schichten der Atmosphäre erreicht, ein kurzer UVB-Strahlungsblitz (290 bis 315 nm) mit einer Leistung von rund 2 × 10 -3 Joule pro Quadratzentimeter und Sekunde die Erdoberfläche. Das entspricht ungefähr der siebenfachen UVB-Strahlungsintensität an einem sonnigen Sommertag. Da dieser Blitz jedoch nur kurze Zeit währt, ist er für das irdische Leben nicht besonders gefährlich. Allerdings: Für einen »Sonnenbrand« bei Personen mit empfindlicher Haut würde es reichen. Die Auswirkungen auf die Ozonkonzentration sind jedoch tiefgreifend. Sie erniedrigt sich am Äquator um 55 Prozent, an bestimmten Orten sogar um 74 Prozent. Langfristig stellt sich weltweit eine
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