Sternstunden des Universums
SDO-Satelliten (Solar Dynamics Observatory).
Mit der von einer SN ausgehenden Gammastrahlung verhält es sich ähnlich. Doch zunächst: Woher stammt sie? Von der unmittelbar beim Sternkollaps entstehenden hochenergetischen Strahlung bekommt die Umwelt nicht viel mit. Die Sternmaterie ist im Augenblick der Explosion noch so dicht, dass die Gammaquanten sie größtenteils nicht ungehindert durchdringen können. Vielmehr geben sie in einer Reihe aufeinanderfolgender Absorptions- und Reemissionsprozesse einen Großteil ihrer Energie an die auseinanderfliegende Sternmaterie ab und werden zu niederenergetischer Röntgenstrahlung transformiert. Das, was uns erreicht, stammt vornehmlich aus dem Zerfall radioaktiver Atomkerne, die beim Sternkollaps entstehen und in den Raum hinausgeschleudert werden. Hauptlieferant der Gammastrahlung ist eine Zerfallskette, bei der innerhalb von sechs Tagen zunächst die Hälfte der beim Kollaps entstandenen Nickelkerne zu Kobalt und anschließend mit einer Halbwertszeit von 77 Tagen die Kobaltkerne weiter zu Eisen zerfallen. Beim ersten Zerfallsschritt werden Gammaquanten einer Energie von 0,81 MeV, beim zweiten Photonen einer Energie von 0,85 und 1,24 MeV emittiert. Der dabei entstehende Strahlungsfluss von rund 10 33 Joule pro Sekunde ist ähnlich hoch wie im Röntgenbereich. Die Explosion einer SN in einer mit Eta Carinae vergleichbaren Entfernung würde also die Erde im Energiebereich um 1 MeV einem Strahlungsfluss von 1,5 × 10 -12 Joule pro Quadratzentimeter und Sekunde aussetzen.
Mit diesen Daten lässt sich das gleiche Szenario aufstellen wie mit der Röntgenstrahlung. Kommt da mehr auf die Erde zu als bei einem starken solaren Flare? Das von der NASA betriebene Compton-Gammastrahlen-Observatorium (CGRO), das die Erde von 1991 bis 2000 umkreiste, hat während starker solarer Flares im Energiebereich von 1 bis 10 MeV Strahlungsflüsse von 10 -12 Joule pro Quadratzentimeter und Sekunde gemessen. Demnach wäre eine SN in 7500 Lichtjahren Entfernung für die Erde genauso »gammastrahlungswirksam« wie eine starke Sonneneruption. Man hätte mit Problemen zu rechnen, wie sie als Folge starker solarer Flares auftreten: teilweiser Ausfall der elektrischen Netze und der Stromversorgung sowie Störungen im Funkverkehr und der Kommunikation mit erdnahen Satelliten. Natürlich würde dies das öffentliche Leben in einigen Landstrichen für kurze Zeit beeinträchtigen, aber ausgesprochen gefährlich wäre es vermutlich nicht. Bis heute hat die Menschheit jede noch so starke Sonneneruption ohne Schäden für Leib und Leben überstanden.
Doch es könnte schlimmer kommen. Da Eta Carinae eine so große Masse besitzt, ist nicht auszuschließen, dass der Stern einen deutlich spektakuläreren »Abgang« inszeniert als eine »normale« Supernova. Als Steigerung käme eine Hypernova (HN) in Frage mit einem Energieausstoß, der bis zu 1000-mal größer ist als bei den SNe, von denen bisher die Rede war. Was eine Hypernova auszeichnet, ist ein sogenannter Gamma-Ray Burst, ein enormer Gammastrahlenausbruch, der mit dem Sternkollaps einhergeht. Dabei setzt der Stern im Zeitraum von wenigen Sekunden mehr Strahlungsenergie frei als unsere Sonne während ihrer gesamten Lebenszeit von circa 10 Milliarden Jahren. Mittlerweile glaubt man zu wissen, wie diese »Energieschleudern« funktionieren. Bei einem sehr massereichen Stern kommt der Kollaps nicht zum Stehen, wenn die Materie eine gewisse Dichte erreicht hat. Anstelle eines Neutronensterns im Sterninneren entsteht ein stellares Schwarzes Loch. Und weil sich der Stern um seine Achse gedreht hat, rotiert auch das Schwarze Loch, jedoch um ein Vielfaches schneller als ursprünglich der Stern. Das funktioniert genauso wie bei einem Pirouetten drehenden Eiskunstläufer, der schneller wird, wenn er die Arme anlegt. Von dem rotierenden Schwarzen Loch im Zentrum bekommen die äußeren Bereiche des Sterns zunächst nichts mit. Dort wird weiterhin Kernfusion betrieben. Doch die enorme Gravitationskraft des Schwarzen Lochs zeigt Wirkung. Sie versammelt die umgebende Materie in eine um das Loch rotierende Scheibe, von wo aus sie auf spiralförmigen Bahnen in das Loch hineinfällt. Mit der rotierenden Materie werden auch die allgegenwärtigen Magnetfelder regelrecht aufgewickelt und zunehmend komprimiert. Ist schließlich eine kritische Magnetfelddichte erreicht, entspannen sich die Magnetfelder explosionsartig und setzen die gespeicherte Energie frei. Zwei
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