Sternstunden des Universums
bleibt sie auf der Nachtseite kalt. Aufgrund der daraus resultierenden Druckunterschiede in der Atmosphäre entstehen starke Winde, die die Wärme der Tagseite über den Planeten verteilen. Simulationen haben gezeigt, dass bei einer Atmosphäre von erdähnlicher Zusammensetzung ein Druck von nur einem Zehntel des irdischen Drucks genügen würde, um Wärme wirksam auf die Nachtseite des Planeten zu transportieren. Gesteht man der Atmosphäre einen gewissen Anteil an Treibhausgasen zu, vor allem Kohlendioxid und Wasserdampf, dann liefert die Simulation eine globale Gleichgewichtstemperatur im Bereich von minus 12 bis minus 31 Grad Celsius. Mit einer dichteren Atmosphäre, wie sie aufgrund der im Vergleich zur Erde größeren Oberflächenbeschleunigung zu erwarten ist, würde sich die Situation noch verbessern, das heißt, die Gleichgewichtstemperatur läge höher.
Dennoch, Wasser ist in diesem Temperaturintervall nicht flüssig. Man muss jedoch berücksichtigen, dass die errechneten Werte die globale Gleichgewichtstemperatur angeben. Lokal können deutlich höhere, aber auch tiefere Temperaturen auftreten. Steven Vogt schätzt, dass auf der Tagseite das »Quecksilber« an manchen Orten bis auf 70 Grad klettert. Eine »gemäßigte«, dem Leben zuträgliche Temperatur könnte sich in einem Übergangsbereich zwischen der warmen und der kalten Hemisphäre einstellen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Eine große Temperaturdifferenz zwischen den beiden Hemisphären, aber auch zwischen dem Äquator und den Polen des Planeten würde vermutlich zu starken Turbulenzen in der Atmosphäre führen. Eventuelles Leben müsste mit orkanartigen Winden zurechtkommen, die mit Geschwindigkeiten von mehreren hundert Kilometern pro Stunde über den Planeten fegen. Modellrechnungen, die von mäßigen Temperaturunterschieden und erdähnlichen atmosphärischen Verhältnissen ausgehen, liefern eine günstigere Prognose. Demnach würde ein konstanter, leichter Wind, ähnlich einem langsamen Strahlstrom (Jetstream), die Wärme über den gesamten Planeten transportieren.
Damit stellt sich die Frage: Rechtfertigen diese Daten den Titel »Zweite Erde«? Ist Gliese 581g ein »bewohnbarer« Planet? Auf den ersten Blick lassen sich keine prohibitiven Argumente finden. Wasser und eine ausreichend dichte Atmosphäre vorausgesetzt, hätte auf Gliese 581g Leben eine Chance. Auf der Erde tauchten die ersten Formen von Leben rund 700 Millionen Jahre nach ihrer Entstehung auf. 3,8 Milliarden Jahre Selektion und Evolution haben schließlich zu der Artenvielfalt geführt, die wir heute bewundern. Das Alter des Sterns Gliese 581 schätzen die Astronomen auf sieben bis elf Milliarden Jahre. Da Planeten in etwa zeitgleich mit »ihrem« Stern aus der ursprünglichen Gas- und Staubwolke »kondensieren«, dürfte auch Gliese 581g so alt sein. Eigentlich Zeit genug für die Entwicklung von Leben.
Lassen wir kurz der Fantasie freien Lauf. Nehmen wir an, das Leben hat seine Chance auf Gliese 581g genutzt. Wie könnte es aussehen? Dass es dem irdischen gleicht, darf man nicht erwarten. Einige der Parameter, welche die Entwicklung von Leben beeinflussen, haben dort vermutlich andere Werte als auf der Erde. Insbesondere der Stern, den Gliese 581g umkreist, der Rote Zwerg, unterscheidet sich stark von unserer Sonne. Aufgrund seiner niedrigen Oberflächentemperatur von rund 3200 Grad Celsius strahlt Gliese 581 vornehmlich infrarotes Licht ab und nur relativ wenig sichtbares Licht. Um Photosynthese betreiben zu können, sind irdische Pflanzen auf die Photonen des sichtbaren Lichts angewiesen. Photonen des infraroten Lichts transportieren zu wenig Energie, um Wasser und Kohlendioxid effektiv in Kohlenhydrate und Sauerstoff »umwandeln« zu können. Um mit vergleichbar viel Energie wie auf der Erde versorgt zu werden, müssten eventuelle Pflanzen auf Gliese 581g ein breiteres Frequenzspektrum nutzen. Auf unsere Erde gebrachte Blätter solcher »Gliese-Pflanzen« wären daher vermutlich schwarz und nicht grün. Allein dieser »spektrale Unterschied« zu unserer Sonne würde wohl ausreichen, um die Entwicklung eventuellen Lebens auf Gliese 581g in andere Bahnen zu lenken.
Im Großen und Ganzen sind die Nachrichten zu Gliese 581g nicht schlecht. Doch Vorsicht! Wenn Sie Ihren Nachkommen für deren Flucht von einer dereinst unbewohnbaren Erde einen Platz auf Gliese 581g reservieren wollen, so sollten Sie noch etwas warten. Bisher ist alles pure Spekulation! Ob Gliese 581g
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