Sternstunden des Universums
mittlere Temperatur einstellen kann, bei der eventuell vorhandenes Wasser weder gefriert noch verdampft. Der innere Radius der habitablen Zone des Sterns Gliese 581 beträgt 0,111 AE, der äußere 0,216 AE. Da Gliese 581g den Stern auf einer Kreisbahn im Abstand von 0,14601 AE umrundet, befindet er sich immer in dem für Leben »vorteilhaften« Bereich (Abb. 38). Das allein garantiert jedoch nicht, dass sich überall auf dem Planeten eine Temperatur einstellt, bei der Wasser flüssig ist. Auch die Rotation des Planeten um seine Achse spielt eine große Rolle.
Abb. 38: Vergleich des Planetensystems um den Zwergstern Gliese 581 mit dem Sonnensystem. Mit wachsender Sternmasse vergrößert sich der Abstand der habitablen Zone zum Stern. Damit die Temperatur auf einem Planeten für Leben, wie wir es kennen, erträglich ist, muss der Planet seinen Mutterstern in dessen habitabler Zone umlaufen.
Zwei Körper, die sich in geringem Abstand umkreisen, haben immer eine Tendenz zur gebundenen Rotation. Körper in gebundener Rotation drehen sich während eines Umlaufs genau einmal um ihre Achse. Rotationsperiode und Umlaufperiode sind also identisch. Das hat zur Folge, dass sie ihrem »Partner« stets dieselbe Hemisphäre zuwenden. Am Beispiel unseres Mondes, der gebunden um die Erde rotiert, ist das gut zu erkennen.
Wie kommt es zu einer gebundenen Rotation? Bezeichnen wir die beiden um den gemeinsamen Schwerpunkt rotierenden Körper mit A und B. Entsprechend dem Gravitationsgesetz ziehen sich A und B gegenseitig mit gleicher Kraft an. Da die Gravitationskraft jedoch mit dem Quadrat der Entfernung abfällt, erfährt das dem Körper A zugewandte Ende eines kugelförmigen, homogenen Körpers B eine größere Anziehungskraft als das Zentrum von B, wogegen auf das dem Körper A abgewandte Ende von B eine geringere Kraft wirkt als im Zentrum von B. Bezogen auf den Mittelpunkt von B erfährt das dem Körper A zugewandte Ende von B eine Kraft in Richtung auf A und das dem Körper A abgewandte Ende von B eine gleich große Kraft in die entgegengesetzte Richtung, das heißt von A weg. Durch diese sogenannten Gezeitenkräfte wird B entlang der Verbindungslinie A – B gedehnt beziehungsweise zu einem Ellipsoid deformiert. Man bezeichnet diese Verzerrungen als Gezeitenberge (Abb. 39). Stimmen Rotationsperiode und Umlaufperiode von B nicht überein, »wandern« die Gezeitenberge über dessen Oberfläche, so dass der Körper kontinuierlich umgeformt wird. Die dafür aufzuwendende Energie entstammt der Rotationsenergie des Körpers. Hinzu kommt, dass die Gezeitenberge vom rotierenden Körper B etwas »mitgeschleppt« werden und daher nicht mehr exakt auf der Verbindungslinie der beiden Körper liegen. Da die Gravitation des Partners A die ungleich weit entfernten Gezeitenberge des Körpers B mit unterschiedlicher Kraft anzieht, entsteht ein Drehmoment, das die Rotation von B zusätzlich bremst. Reibungskräfte und Drehmoment verschwinden erst, wenn Rotations- und Umlaufperiode »synchronisiert« sind beziehungsweise der Körper eine gebundene Rotation ausführt.
Abb. 39: Zwei um den gemeinsamen Schwerpunkt rotierende Massen rufen gegenseitig Gravitationskräfte hervor. Da die Gravitation mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, wirkt auf die dem Partner zugewandte Seite eine größere Kraft als auf die von ihm abgewandte Seite. Bei einem kugelförmigen Körper führt das zu Gezeitenkräften, die den Körper zu einem Ellipsoid verformen.
Gezeitenkräfte sind umgekehrt proportional zur dritten Potenz des Abstandes der beiden Körper. Eine Halbierung des Abstandes hat achtmal größere Gezeitenkräfte zur Folge. Der geringe Abstand des Planeten Gliese 581g zu seinem Stern lässt daher auf starke Gezeitenkräfte schließen. Eine Rechnung zeigt: Auf Gliese 581g sind die Gezeitenkräfte rund 60-mal größer als auf der Erde und dreimal größer als auf dem Erdmond. Dass Gliese 581g schon vor langer Zeit in eine gebundene Rotation gezwungen wurde, ist also sehr wahrscheinlich.
Wie sich die gebundene Rotation auf die Temperatur des Planeten auswirkt, hat man untersucht. Besitzt der Planet keine Atmosphäre, so sind die Temperaturunterschiede groß. Die dem Stern zugewandte Seite, die sogenannte Tagseite des Planeten, heizt sich stark auf, während die abgewandte Seite, die Nachtseite, auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt auskühlt. Mit Atmosphäre ergibt sich ein anderes Bild. Während sich die Atmosphäre auf der Tagseite erwärmt,
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