Sternstunden des Universums
überhaupt existiert, ist völlig ungewiss.
Kurz nachdem Vogt und Butler ihre Entdeckung publik gemacht hatten, begann eine Gruppe um den italienischen Astronomen Francesco Pepe am Genfer Observatorium mit einem erweiterten HARPS-Datensatz nach Planeten bei Gliese 581 zu suchen. Dieser Datensatz, der einen Beobachtungszeitraum von sechseinhalb Jahren abdeckt, setzt sich aus den 119 von Vogt und Butler verwendeten und 60 zwischenzeitlich neu gewonnenen Messwerten zusammen. Am 11. Oktober 2010 referierte Pepe das Ergebnis der Datenanalyse auf einer Konferenz der Internationalen Astronomischen Vereinigung in Turin. Während die bereits bekannten b-, c-, d- und e-Planeten eindeutig zu erkennen waren, lieferte die Analyse keinen klaren Hinweis auf den g-Planeten. Zwar fand sich ein Signal, das von einem Planeten mit den für Gliese 581g angegebenen Daten hätte stammen können, es war jedoch sehr schwach und von anderen Störsignalen nicht zu unterscheiden. Zu dem von Vogt und Butler angekündigten f-Planeten bemerkte Pepe, man habe zwar noch keine detaillierte Analyse durchgeführt, doch auf den ersten Blick lieferten die Daten auch kein Signal, das eindeutig auf die Existenz dieses Planeten hinweist.
Steven Vogt zeigte sich von diesem Ergebnis nicht sonderlich beeindruckt. In einem Interview in der englischen Zeitschrift New Scientist gab er zu bedenken, dass man es bei der Analyse mit außerordentlich schwachen Signalen zu tun habe, die nicht notwendigerweise stärker ausfallen, wenn man zu den ursprünglichen HARPS-Daten weitere 60 Messwerte hinzufügt. Außerdem warnte er davor, das Ergebnis der Genfer Gruppe zu überschätzen, da die mit dem Teleskop auf Hawaii gewonnenen HIRES-Daten nicht berücksichtigt wurden. Vermutlich, so Vogt, liefert nur die Kombination beider Datensätze einen deutlichen Hinweis auf die Planeten. Die Astronomen Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und Alan Boss von der Carnegie Institution for Science in Washington halten es für möglich, dass die in die Berechnung der Genfer Gruppe eingehende Exzentrizität der Planetenbahn für die Ergebnisdiskrepanz verantwortlich ist. Während das Team um Steven Vogt von kreisförmigen Bahnen ausging, setzte die Genfer Gruppe auf leicht elliptische Bahnen. Laut Boss könnten kreisförmige Bahnen zu künstlichen Signalen führen, welche die Existenz kleiner Planeten vortäuschen.
Das ist – beziehungsweise war – der Stand der Dinge im Januar 2011. Da man nicht entscheiden konnte, welche Gruppe das richtige Ergebnis vorgelegt hatte, wurden die Planeten Gliese 581f und -g in der Enzyklopädie der extrasolaren Planeten der Rubrik »Unüberprüfte, kontroverse oder widerrufene Planeten« zugeordnet. Paul Butler war zu diesem Zeitpunkt jedoch überzeugt, dass die weitere Beobachtung des Sterns Gliese 581 in ein oder zwei Jahren genug Daten für ein endgültiges Urteil liefern wird. Wir überlassen es dem interessierten Leser, sich zu informieren, ob sich Butlers Vorhersage bewahrheitet hat beziehungsweise wie sich die Dinge weiterentwickelt haben.
Sollte sich die Existenz des Planeten Gliese 581g bestätigen, welche Konsequenzen hätte das? Zunächst wäre zu prüfen, ob der Planet auch hält, was man sich von einer »Zweiten Erde«, von einem habitablen Planeten verspricht. Dazu gehören eine erdähnliche Struktur aus Gesteinen und Metallen, eine feste Oberfläche, eine Atmosphäre und flüssiges Wasser in ausreichender Menge. Die Frage nach eventuellem Leben auf Gliese 581g könnte eine Analyse der Atmosphäre beantworten. Größere Mengen an Sauerstoff (O 2 ), Ozon (O 3 ), Kohlendioxid (CO 2 ), Stickstoffdioxid (N 2 O) oder Methan (CH 4 ) im atmosphärischen Gasgemisch wären ein erster Hinweis, dass sich dort etwas »regen« könnte. Da diese Substanzen bei biologischen Prozessen entstehen – O 2 bei der Photosynthese der Pflanzen, CH 4 beim Metabolismus von Mensch und Tier –, bezeichnet man sie auch als »Bioindikatoren«. Doch Vorsicht! Diese Substanzen können auch durch abiotische Prozesse entstehen.
Für die Planetologie, die Wissenschaft, die sich mit der Entstehung und Entwicklung von Planeten und Planetensystemen befasst, hätte die Entdeckung eines habitablen Planeten bei Gliese 581 weitreichende Konsequenzen. Mit einer Entfernung von rund 20 Lichtjahren zählt Gliese 581 zu den 100 unserer Sonne nächstgelegenen Sternen. Keiner ist weiter als 25 Lichtjahre entfernt. Wenn sich bei 100 so nahen Sternen
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