Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
wie eine Zwangsjacke einen Verrückten einschränkt, und die zweite Stimme in der gleichen Philosophie des Seins sagt, daß diese Fesseln in uns selbst stecken ›sollten‹. Wer so spricht, der lechzt nach Grenzen der Freiheit, die entweder in der Welt oder in ihm selbst markiert werden, denn er will, daß ihn die Welt in gewissen Richtungen nicht durchläßt oder daß ihn seine eigene Natur zurückhält. Aber Gott hat uns weder die ersten noch die zweiten Grenzen gegeben. Und er hat sie nicht nur nicht gegeben, sondern er hat die Stellen geglättet, an denen wir sie einst erwartet hatten, damit wir selbst nicht wissen, daß wir gerade im Begriff sind, sie zu überschreiten.«
      Ich fragte, ob daraus etwa die These resultiere, daß Gott nach den Auffassungen des Duismus identisch mit dem Satan sei. Ich beobachtete, wie eine unmerkliche Bewegung die Anwesenden erfaßte. Der Historiker schwieg, und der General des Ordens sagte: »Es ist so, wie du sagst, aber nicht so, wie du denkst. Wenn du sagst ›Gott ist Satan‹, so verleihst du diesen Worten den drohenden Sinn der Nichtswürdigkeit des Schöpfers. Was du gesagt hast, ist dann eine Unwahrheit – aber nur in deinem Munde. Wenn ich das sagte oder einer der hier anwesenden Pater, dann würden diese Worte etwas ganz anderes bedeuten. Sie würden nur bedeuten, daß es solche Gaben Gottes gibt, die wir ohne Widerstreben annehmen können, und solche, die wir nicht tragen können. Sie würden bedeuten: Gott hat uns in nichts, aber auch in gar nichts beschränkt, nicht geschmälert und nicht gefesselt. Bedenke bitte, daß die Welt, die zu lauter Gutem gezwungen ist, das gleiche Asyl der Unfreiheit ist wie die Welt, die man zu lauter Bösem zwingt. Stimmst du mir zu, Dagdor?«
      Der Historiker, an den diese Frage gerichtet war, bestätigte das und ergriff das Wort.
      »Mir als dem Historiker der Glaubenslehren sind Theogonien bekannt, denen zufolge Gott eine nicht völlig vollkommene Welt eingerichtet habe, die jedoch in gerader oder in einer Zickzacklinie oder auch in einer Spirale zur Vollendung strebe, das heißt, mir sind Lehren bekannt, denen zufolge Gott ein sehr großes Kind ist, das Spielzeug zu seiner eigenen Freude in der ›richtigen‹ Richtung in Gang setzt. Ich kenne auch Doktrinen, die das als vollkommen bezeichnen, was schon ist, und die, damit die Rechnung dieser Vollkommenheit in der Bilanz stimmt, darin eine Korrektur vornehmen, und diese Korrektur trägt den Namen des Teufels. Aber sowohl das Modell des Seins als Spiel mit Eisenbahnen und der auseinanderschnellenden Sprungfeder des ewigen Fortschritts, der das Erschaffene immer leistungsfähiger dorthin bewegt, wo es immer besser ist, als auch das Seinsmodell, in dem die Welt ein Boxkampf des Lichten mit den Mächten des Dunklen ist, die vor dem göttlichen Ringrichter kämpfen, wie auch das Modell der Welt, in der Eingriffe durch Wunder unerläßlich sind, das heißt, wo das Erschaffene wie eine Uhr ist, die entzweigeht, und das Wunder die göttliche Pincette, die das Sternwerk berührt, um das Erforderliche festzuschrauben, wie letztlich auch das Modell der Welt als eine schmackhafte Torte, in die Gräten teuflischer Versuchungen hineingesteckt sind – sie alle stellen Bilder aus einem Lesebuch der vernünftigen Gattung dar, das heißt aus einem Büchlein, das das gereifte Alter mit gerührter Melancholie, aber mit einem Achselzucken auf die Regale des Kinderzimmers stellt. Es gibt keine Dämonen, wenn man nicht die Freiheit für einen Dämon hält; es gibt eine Welt, und es gibt einen Gott, und es gibt einen Glauben, lieber Gast, der Rest ist Schweigen.«
      Ich wollte fragen, worin nach ihrer Auffassung die positiven Merkmale Gottes und der Welt bestünden, denn bisher hatte ich immer nur gehört, was Gott nicht sei, und nach der Darlegung zum Thema der Eschatologie der Freiheit brummte und schwirrte mir der Kopf – aber wir mußten ja zu unserem weiteren Weg aufbrechen. Als wir uns wieder auf unseren eisernen Rossen wiegten, fragte ich Pater Darg, von einem unverhofften Gedanken durchzuckt, warum sein Orden eigentlich den Namen »Destruktianer« trage.
      »Das hängt mit dem Thema unseres Tischgespräches zusammen«, erwiderte er. »Dieser Name, der historischer Herkunft ist, bezeichnet die Zustimmung zum Sein als Ganzem, einem Ganzen, das von Gott herrührt, sowohl darin, was in ihm Schöpfertum ist, als auch darin, was uns als sein Gegenteil erscheint. Er bedeutet nicht«,

Weitere Kostenlose Bücher