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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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durch die ganze Diözese an der Seite des Paters Memnar begleite. Die Aussicht, die finsteren Katakomben zu verlassen, erfreute mich, daher gab ich meine Zustimmung.
      Die Rundreise sah indes anders aus, als ich sie mir vorgestellt hatte. An die Oberfläche gelangten wir überhaupt nicht; die Mönche hatten niedrige Lasttiere für den Weg hergerichtet, die bis zur Erde mit Tüchern, grau wie ihre Kutten, zugedeckt waren; sie setzten sich ohne Sattel darauf, und so zuckelten wir langsam durch den unterirdischen Gang. Das waren, wie ich schon vermutet hatte, und diese Vermutung fand ihre Bestätigung, seit Jahrhunderten nicht mehr benutzte Kanäle der Metropole, die sich hoch über uns mit einem guten Tausend halbverfallener Hochhäuser ausbreitete. Die rhythmischen Bewegungen meines Reittieres hatten etwas Wunderliches an sich; ich gewahrte auch unter dem Stoff, der es bedeckte, keine Spur von einem Kopf; nachdem ich diskret unter das Leinen geschaut hatte, überzeugte ich mich, daß es eine Maschine war, eine Art vierbeiniger Roboter, überaus primitiv; bis zum Mittag hatten wir nicht einmal zwanzig Meilen zurückgelegt. Es fiel übrigens schwer, sich über die Länge des zurückgelegten Weges zu orientieren, er schlängelte sich nämlich durch das Labyrinth der Kanäle, schwach erhellt von Lampen, die in kleiner Schar über uns hochflatterten oder gegen die gewölbte Decke schlugen und an die Spitze der Kolonne eilten, wohin man sie durch Schnalzen lockte.
      Endlich erreichten wir den Sitz der Prognositenmönche, wo wir mit Ehren empfangen wurden, vor allem ich stand im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Da der Möbelwald weit entfernt war, mußten sich die Prognositenpater besonders tummeln, um meinetwegen einen anständigen Imbiß zu bereiten. Ihn lieferten die Magazine der verlassenen Metropole, in Gestalt von Tüten mit Keimlingen; man stellte Schüsseln vor mich hin, die eine leer, die andere voll Wasser, und ich konnte mich zum erstenmal von der Wirkung der Produkte der biotischen Zivilisation überzeugen.
      Die Mönche entschuldigten sich bei mir wegen der fehlenden Suppe; der Mönch, der durch einen Kanalisationsschacht an die Oberfläche der Erde geschickt worden war, hatte es einfach nicht verstanden, die richtige Tüte zu finden; mit dem Kotelett jedoch gab es keine Panne: Der Keimling, mit einigen Löffeln Wasser übergossen, schwoll an und verflachte, so daß ich nach einer Weile eine köstlich gebräunte Kalbsscheibe vor mir hatte, ganz in Butter, die zischend vor Wärme aus den Fleischporen drang. In dem Kaufhaus, aus dem diese Spezialität stammte, mußten chaotische Zustände herrschen, denn zwischen die Päckchen mit gastronomischen Keimlingen waren andere geraten: Anstelle des Nachtisches wuchs auf meinem Teller ein Magnetophon, aber es eignete sich auch nicht für den Gebrauch, weil es an den Spulen Gummibänder von Unterhosen hatte. Man erklärte mir, das sei ein Effekt der Hybridisierung, die immer vorkomme, denn unbeaufsichtigte Au tomaten produzierten Keimlinge von immer schlechterer Qualität; diese biotischen Produkte können sich kreuzen, und es entstehen auf diese Weise die unheimlichsten Mischungen. Bei dieser Gelegenheit kam ich endlich dem Geheimnis auf die Spur, was es mit den wilden Möbeln auf sich hatte.
      Die ehrwürdigen Pater wollten einen der jüngeren Mönche sogleich ein zweites Mal in die Ruinen der Stadt schicken, damit er mir etwas zum Nachtisch holte, aber ich widersetzte mich dem eifrig. Mir war an einem Gespräch weit mehr gelegen als an einem Nachtisch.
      Das Refektorium, einst eine große Kläranlage der städtischen Kanalisation, war peinlich sauber; weißer Sand bedeckte den Boden, zahlreiche Lampen brannten, sie waren bei den Prognositen übrigens von anderer Art als bei den Destruktianern. Sie blinzelten nämlich und waren gestreift, als stammten sie von gewaltig vergrößerten Wespen. Wir saßen an einem langen Tisch, abwechselnd ein Destruktianer und ein Prognosit auf seinem Chassis; ich war maßlos verlegen, weil ich als einziger ein entblößtes Gesicht und bloße Hände hatte – in Gegenwart der verhüllten Gestalten der Roboterpater in ihren Wergkutten mit Glas in den Augenöffnungen und in Gegenwart der Computermönche, die mit ihren kantigen Formen nicht im geringsten an Lebewesen erinnerten; einige von ihnen waren unter dem Tisch durch Kabelschnüre verbunden, aber ich wagte nicht, nach dem Sinn dieser Verbindungen zu

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