Sterntagebücher
werde ich das Gefühl nicht los, daß es dort oben in weiter Ferne andere Welten gibt, ähnlich der unseren, die ebenfalls von vernünftigen Wesen bewohnt werden…«
»Wer redet hier von Vernunft?« scholl es aus der Nähe. Beide Jünglinge kehrten ihre Rücken in jene Richtung, um den Ankömmling in Augenschein zu nehmen, und erblickten die knorrige, aber noch rüstige Gestalt Flaments. Der greise Gelehrte wandelte mit majestätischen Bewegungen; seine künftige Nachkommenschaft, die wie Weintrauben aussah, schwoll bereits an und ließ die ersten Keime auf seinen breiten Schultern sprießen.
»Ich habe von vernunftbegabten Wesen gesprochen, die andere Welten bevölkern…«, antwortete Kralos, wobei er die Flossen ehrerbietig zum Gruß hob.
»Kralos schwätzt von vernünftigen Wesen auf anderen Welten?« fragte der Gelehrte verwundert. »Seht mal an! Auf anderen Welten! Ach, dieser Kralos, dieser Kralos. Was treibst du nur, junger Mann? Läßt deiner Phantasie die Zügel schießen? Gewiß… durchaus lobenswert an einem so schönen Abend… Doch es ist merklich kühler geworden, spürt ihr das nicht?«
»Nein«, antworteten die beiden Jünglinge gleichzeitig.
»Ja, ja, das junge Feuer, ich weiß! Immerhin sind es kaum achthundertsechzig Grad; ich hätte mir mein Cape aus doppelter Lava umwerfen sollen. Nun ja, das Alter. Du meinst also« – er wandte Kralos den Rücken zu –, »daß auf anderen Welten vernunftbegabte Geschöpfe leben? Wie sollen diese Wesen denn nach deiner Meinung aussehen?«
»Das läßt sich nicht genau sagen«, erwiderte der Jüngling schüchtern. »Ich glaube, recht unterschiedlich. Wie ich gehört habe, ist es nicht ausgeschlossen, daß auch auf kälteren Planeten lebende Organismen entstehen, und zwar aus einer Substanz, die Eiweiß genannt wird.«
»Von wem willst du das wissen?« schrie Flament zornig.
»Von Implos, dem jungen Biochemiestudenten, der…«
»Sag lieber, dem jungen Narren!« brauste Flament auf. »Leben aus Eiweiß? Lebewesen aus Eiweiß? Schämst du dich nicht, diesen Unfug in Gegenwart deines Lehrers zu verbreiten? Das sind die Früchte der Unwissenheit und Arroganz, die heute in erschreckendem Maße um sich greifen! Weißt du, wie man deinen Implos züchtigen sollte? Indem man ihn mit Wasser bespritzt, jawohl!«
»Aber ehrwürdiger Flament«, wagte Kralos’ Freund einzuwerfen, »warum forderst du für Implos eine gar so furchtbare Strafe? Möchtest du uns nicht sagen, wie du dir die Lebewesen auf ande ren Planeten vorstellst? Könnten sie nicht eine senkrechte Haltung haben und sich auf den sogenannten Beinen fortbewegen?«
»Wer hat dir das gesagt?«
Kralos schwieg verängstigt.
»Implos«, flüsterte sein Freund.
»Ach, laßt mich endlich mit diesem Implos und seinen Phantastereien zufrieden!« schrie der Gelehrte. »Beine! Nein wirklich! Als hätte ich nicht vor fünfundzwanzig Flammen mathematisch bewiesen, daß ein zweibeiniges Wesen, sobald man es aufstellt, unweigerlich der Länge nach hinschlagen muß! Ich habe sogar ein Modell und ein Diagramm dazu angefertigt, aber was könnt ihr Faulpelze schon darüber wissen! Wie die vernunftbegabten Wesen anderer Welten aussehen? Ich werde dir diese Frage nicht unmittelbar beantworten, überleg es dir selbst, lerne denken. Zunächst einmal müssen sie Organe zur Aufnahme von Ammoniak besitzen, nicht wahr? Und welches Organ könnte dafür besser geeignet sein als die Kiemhalme? Müssen sie sich in einer Umgebung bewegen, die mit Maßen widerstrebend, mit Maßen warm ist, wie die unsere? Sie müssen, stimmt’s? Na also! Und wie sollten sie das anders tun als mit Stütztuben? Ähnlich werden sich auch die Sinnesorgane formen – die Blinker, Schalen und Quasten. Aber jene Geschöpfe müssen ja nicht nur in ihrem Körperbau uns Quintolen ähnlich sein, auch ihre Lebensweise wird der unseren gleichen. Es ist doch bekannt, daß die Quinte die Grundzelle unseres Familienlebens ist – versuch dir in deiner Phantasie etwas Besseres auszudenken, und du wirst einsehen, dafür verbürge ich mich, daß dir das nicht gelingt! Es ist nun einmal so, um eine Familie zu gründen, um die Nachkommenschaft ins Leben zu rufen, müssen sich Dada, Gaga, Mama, Fafa und Haha verbinden. Umsonst alle Zuneigung, vergebens alle Pläne und Träume, wenn der Vertreter eines dieser fünf Geschlechter fehlt – eine solche Situation, die nun leider im Leben manchmal vorkommt, nennen
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