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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Bannstrahlwerfer, den Exkommunikator und einen besonderen Apparat für Bannsprüche mit Rückwärtsgang (zwecks Wider ruf). Leider fanden seine Arbeiten nicht die Anerkennung derer, für die er so emsig wirkte, mehr noch, sie wurden als ketzerisch verurteilt. Mit der ihm eigenen Großzügigkeit stellte er daraufhin dem lokalen Pfarrer einen Prototyp des Exkommunikators zur Verfügung, um ihm die Erprobung experimentell an sich selbst zu ermöglichen. Leider blieb ihm auch das versagt. Betrübt und enttäuscht, verzichtete er auf weitere Arbeiten in der gewählten Richtung und widmete sich von nun an – in seiner Eigenschaft als Konstrukteur – den östlichen Religionen. Noch heute sind seine elektrifizierten buddhistischen Gebetsmühlen bekannt, vor allem die Modelle mit hoher Umdrehungszahl, die 18000 Gebete in der Minute erreichen.
      Jeremias besaß im Gegensatz zu Melchior nicht einen Funken Friedfertigkeit. Ohne die Schulen abzuschließen, setzte er zu Hause die Studien fort, vornehmlich im Keller, der in seinem Leben eine so wichtige Rolle spielen sollte. Sein Hauptwesenszug war eine außergewöhnliche Konsequenz. Mit neun Jahren beschloß er, die Allgemeine Theorie von Allem zu schaffen, und nichts konnte ihn daran hindern. Die beträchtlichen Schwierigkeiten, mit denen er seit seiner Jugend zu kämpfen hatte, nahmen nach einem fatalen Verkehrsunfall noch zu (eine Straßenwalze hatte ihm den Kopf plattgedrückt). Aber nicht einmal die Invalidität konnte Jeremias die Philosophie verleiden; er beschloß, ein Demosthenes des Denkens zu werden oder vielmehr ein Stephenson, denn genauso wie der Erfinder der Lokomotive, der sich selbst auch nicht allzuschnell bewegte, aber den Dampf zwang, Räder zu bewegen, gedachte er, die Elektrizität zum Bewegen von Ideen zu zwingen. Dieser Gedanke wird häufig entstellt, indem man sagt, daß er die Losung verkündet habe, man solle die Elektronenhirne schlagen. Jenen Verunglimpfungen zufolge soll sein Ausruf gelautet haben: »Die N-Rechner an die Kandare!« Das ist eine unwürdige Entstellung seiner Gedanken; er hatte einfach das Unglück, mit seinen Auffassungen der Zeit voraus zu sein. Jeremias hatte in seinem Leben viel gelitten. An seine Hauswände wurden Beleidigungen gemalt, in der Art wie »Weibplager« und »Hirnquäler«, die Nach barn zeigten ihn an, daß er die nächtliche Ruhe durch Lärm und Beschimpfungen störe, die angeblich aus dem Keller drangen, sie wagten sogar zu behaupten, daß er einen Anschlag auf das Leben ihrer Kinder führe, indem er vergiftete Bonbons ausstreue. Nun liebte Jeremias tatsächlich Kinder nicht, ähnlich wie Aristoteles, aber die Bonbons waren für die Dohlen bestimmt, die seinen Garten plünderten, wovon die Beschriftungen auf dem Einwickelpapier zeugten. Was die sogenannten Lästerungen betraf, die er angeblich seinen Apparaten beibrachte, so waren das nur Rufe der Enttäuschung, die ihm während der ermüdenden Laborarbeit entfuhren, wenn die Ergebnisse zu gering waren. Gewiß, es war unvorsichtig von ihm, sich in den auf eigene Kosten herausgegebenen Broschüren hemdsärmeliger, sogar gemeiner Ausdrücke zu bedienen, denn die im Text über Elektronensysteme befindlichen Ausdrücke wie »in die Röhre schießen«, »Fleck aufsetzen« oder »Absatz hineinwerfen« konnten den Leser leicht irreführen. Wohl aus Trotz, dessen bin ich sicher, erzählte er eine undurchsichtige Geschichte, derzufolge er immer mit einer Stange ans Programmieren ging. Er zeichnete sich durch Exzentrizität aus, die ihm das Zusammenleben mit seiner Umgebung keineswegs erleichterte; nicht jeder wußte mit seinem Witz etwas anzufangen. (Daher z. B. die Sache mit dem Milchmann und den beiden Briefträgern, die gewiß auch so wahnsinnig geworden wären, infolge erblicher Belastung, um so mehr, als die Skelette auf Rädern waren und die Grube kaum eine Tiefe von zweieinhalb Metern aufwies.) Wer vermag jedoch die gewundenen Wege seines Genies zu verfolgen? Man erzählte sich, er habe ein Vermögen verloren, weil er Elektronenhirne aufkaufte, um sie in kleine Stücke zu zerschlagen. Auf seinem Hof sollen sich ganze Stöße zertrümmerter Apparate getürmt haben. Aber war es seine Schuld, daß die damaligen Elektronenhirne den an sie gestellten Ansprüchen nicht genügten, da sie zu beschränkt und unstabil waren? Wären sie nicht so leicht auseinandergefallen, dann hätte er sie schließlich bestimmt dazu gebracht, eine Allgemeine Theorie von Allem zu schaffen.

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