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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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versuchte ich mir diskret die Ohrmuscheln zu reinigen, aber auch das half nicht. Schließlich glaubte ich schon, das Gehör verloren zu haben, und tippte sacht mit einem Fingernagel auf den anderen, jedoch dieses leise Geräusch hörte ich ganz deutlich. So saß ich denn, ohne zu wissen, was ich von dem ganzen Theater halten sollte, und verfolgte mit Staunen die allgemeinen Anzeichen ästhetischer Befriedigung, bis das Werk zu Ende war. Donnernder Applaus prasselte, der Dirigent verneigte sich, klopfte von neuem, und das Orchester nahm den nächsten Teil der Sinfonie in Angriff. Alles um mich war begeistert; ich hörte vielfaches Schniefen und hielt das für einen Ausdruck tiefer Rührung. Schließlich setzte das stürmische Finale ein – ich erkannte dies an den heftigen Ausbrüchen des Dirigenten und dem perlenden Schweiß, der den Musikanten von der Stirne troff. Wieder dröhnender Applaus. Mein Nachbar redete mich an und äußerte seine Anerkennung über die Sinfonie und ihre Darbietung. Ich antwortete irgend etwas Ungereimtes und schlich fassungslos hinaus.
      Als ich bereits fünfzig Schritt von dem Gebäude entfernt war, drängte es mich, einen Blick auf die Fassade zu werfen. Wie die anderen, so neigte auch sie sich im spitzen Winkel über die Straße; am Giebel prangte in Riesenlettern die Aufschrift: »Städtisches Olfaktorium«, darunter klebten Programmplakate. Ich las:

    MOSCHUSSINFONIE
von ODONTRON
I Präludium odoratum
II Allegro aromatoso
III Andante olens
    Es dirigiert a. G.
der namhafte Nasist
HRANTR

      Ich stieß einen heftigen Fluch aus und lief stracks ins Hotel. Daß ich um das ästhetische Erlebnis gekommen war, machte ich Tarantoga nicht zum Vorwurf, konnte er doch nicht ahnen, daß mich noch immer der Schnupfen von der Satellina plagte.
      Um mich über die Enttäuschung hinwegzutrösten, schnürte ich im Hotel sogleich das Paket auf. Es enthielt ein Filmvorführgerät mit Tonanlage, eine Filmspule sowie einen Brief folgenden Inhalts:

    »Lieber Kollege!
    Gewiß erinnern Sie sich noch an unser Telefongespräch, das wir miteinander führten – Sie vom Kleinen und ich vom Großen Bären aus. Damals äußerte ich die Vermutung, es müsse Wesen geben, die unter hohen Temperaturen auf heißen, halbflüssigen Planeten leben können, und sagte, daß ich in dieser Richtung Nachforschungen anzustellen gedächte. Sie geruhten Ihre Zweifel am Erfolg eines solchen Vorhabens zu äußern. Nun liegen die Beweise vor Ihnen. Ich suchte mir einen feurigen Planeten aus, näherte mich ihm per Rakete auf die kürzestmögliche Entfernung und ließ dann eine hitzebeständige Filmkamera nebst feuerfestem Mikrofon an einem langen Asbestseil hinunter; auf diese Weise gelang es mir, viele interessante Aufnahmen zu machen. Ich erlaube mir, meinem Brief eine kleine Kostprobe beizufügen.
    Ihr ergebener
    Tarantoga.«

    Mich überkam eine so unmäßige Wißbegier, daß ich – kaum hatte ich den Brief durchgelesen – den Film in den Vorführapparat legte, ein Laken aus meinem Bett zog und es vor die Tür hängte. Dann verdunkelte ich den Raum und setzte den Projektor in Gang. Zunächst flimmerten nur bunte Flecke auf der improvisierten Leinwand, begleitet von einem Knacken, das sich wie Bersten von Holzscheiten im Ofen anhörte; dann wurde das Bild schärfer.
      Die Sonne versank am Horizont. Über die zitternde Fläche des Ozeans huschten winzige bläuliche Flammen. Die feuerroten Wolken erblaßten, und die Dämmerung wurde immer dichter. Schon leuchteten schwach die ersten Sterne. Der junge Kralos, müde von dem Tagestreiben, hatte soeben seinen Bolzen verlassen, um einen Abendspaziergang zu machen. Er hatte Zeit; gleichmäßig bewegten sich seine Kiemhalme, indes er genießerisch die frischen duftenden Schwaden glühenden Ammoniaks einatmete. Da näherte sich jemand, kaum sichtbar in der sinkenden Nacht. Kralos strengte sein Brenzel an, erschnupperte den Freund jedoch erst, als dieser dicht vor ihm stand.
      »Ein schöner Abend, nicht wahr?« sagte Kralos. Sein Freund trat von einer Stütztube auf die andere und meinte, indes er zur Hälfte aus dem Feuer tauchte: »Schön fürwahr. Der Salmiak trägt heuer reiche Früchte, weißt du?«
      »Ja, es verspricht eine gute Ernte zu werden.«
      Kralos rekelte sich behäbig, wälzte sich auf den Bauch, riß alle Blinker auf und starrte in die Sterne.
      »Weißt du, mein Lieber«, sagte er nach einer Weile, »wenn ich so zum Nachthimmel aufschaue, dann

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