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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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aufgelöst, war verschwunden, und ich sah nur noch den leeren, brünierten Boden des Apparats.
      »Es hat sich in der Zeit verschoben«, sagte er, ohne mich anzusehen. Schwerfällig erhob er sich vom Fußboden. Auf seiner Stirn glänzten winzige Schweißtröpfchen, klein wie Nadelspitzen. »Oder, wenn Sie so wollen – es hat sich verjüngt.«
      »Um wieviel?« fragte ich. Bei der Sachlichkeit dieser Worte hellte sich sein Gesicht etwas auf. In der linken kleineren und gleichsam verkümmerten Gesichtshälfte – sie war auch etwas dunkler, wie ich aus der Nähe bemerkte – zuckte es.
      »Ungefähr um einen Tag«, antwortete er. »So genau kann ich das noch nicht berechnen. Aber das…« Er brach ab und sah mich an. »Waren Sie gestern hier?« fragte er, ohne die Spannung zu verbergen, mit der er meine Antwort erwartete.
      »Ja, ich war hier«, antwortete ich langsam, denn plötzlich schien mir der Fußboden unter den Füßen wegzurutschen. Ich begriff, und in einer Art Benommenheit, die sich nur mit dem Gefühl aus einem unglaublichen Traum vergleichen ließ, verband ich beide Fakten miteinander: das gestrige, so unerklärliche Erscheinen des Buches an ebendieser Stelle, neben der Wand, und sein gegenwärtiges Experiment.
      Ich sagte ihm das. Er strahlte nicht, wie man hätte annehmen können, sondern wischte sich einige Male nur stumm die Stirn mit dem Taschentuch. Ich bemerkte, daß er heftig schwitzte und etwas blaß geworden war. Ich schob ihm einen Stuhl hin und setzte mich ebenfalls.
      »Vielleicht erzählen Sie mir nun, was Sie sich von mir erhoffen«, sagte ich, als er sich wieder beruhigt hatte.
      »Hilfe«, murmelte er. »Unterstützung – nein, kein Almosen. Mag das… mag es eine Anzahlung auf die Beteiligung am künftigen Gewinn sein. Ein Zeitvehikel…! Sie verstehen wohl selbst…« Er vollendete nicht.
      »Ja«, erwiderte ich. »Ich nehme an, daß Sie eine bedeutende Summe brauchen?«
      »Eine sehr bedeutende. Sehen Sie – hier sind große Energiemengen im Spiel, überdies erfordert die Zeitzielvorrichtung – damit der transportierte Körper genau zu dem Augenblick gelangt, in dem wir ihn lokalisieren wollen – noch langwierige Arbeit.«
      »Wie lange hätten Sie noch zu tun?« fragte ich.
      »Mindestens ein Jahr…«
      »Gut«, sagte ich. »Ich verstehe. Nur, sehen Sie, wir müßten die Hilfe dritter Personen in Anspruch nehmen. Die Hilfe finanzkräftiger Personen. Dagegen hätten Sie doch wohl nichts einzuwenden…?«
      »Nein… natürlich nicht.«
      »Gut. Ich will mit offenen Karten spielen. Die meisten Menschen an meiner Stelle würden vermuten – nach dem, was Sie mir gezeigt haben –, daß sie es mit einem Trick, mit einem geschickten Betrug zu tun haben. Aber ich glaube Ihnen, und ich will tun, was ich kann. Das wird natürlich etwas Zeit beanspruchen. Im Augenblick bin ich sehr beschäftigt, außerdem – möchte ich mich beraten lassen.«
      »Von Physikern?« warf er ein. Er hörte mir angespannt zu.
      »Aber nein! Ich sehe, daß Sie in dieser Hinsicht einen Komplex haben – bitte sagen Sie nichts. Ich will nichts wissen. Ich möchte mich beraten lassen, wer dafür in Frage käme…«
      Ich unterbrach mich. Ihm mußte in diesem Augenblick der gleiche Gedanke gekommen sein, seine Augen blitzten.
      »Herr Tichy«, sagte er, »Sie brauchen niemandes Rat einzuholen. Ich werde Ihnen selbst sagen, zu wem Sie sich begeben sollen…«
      »Mit Hilfe Ihrer Maschine, nicht wahr?« warf ich ein.
      Er lächelte triumphierend. »Natürlich. Daß ich nicht schon früher daraufgekommen bin! Was bin ich doch für ein Esel…«
      »Haben Sie sich selbst schon mal in der Zeit bewegt?« fragte ich.
      »Nein. Die Maschine arbeitet erst seit wenigen Tagen, seit dem vorigen Freitag, wissen Sie. Ich habe nur eine Katze geschickt…«
      »Eine Katze? Und? Ist sie zurückgekehrt?«
      »Nein. Sie hat sich in die Zukunft verschoben – ungefähr um fünf Jahre; die Skala ist noch nicht genau genug. Um den Moment, in dem die Maschine in der Zeit halten soll, präzise festlegen zu können, müßte ein Differentiator eingebaut werden, der die sich überschneidenden Felder koordinieren würde. So, wie es jetzt ist, wird eine Desynchronisation, bewirkt durch den Quanteneffekt des Tunnelierens…«
      »Ich verstehe leider nichts von dem, was Sie sagen«, versetzte ich. »Aber warum haben Sie es nicht selbst versucht?«
      Das erschien mir

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