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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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einen Moment unvorstellbarer Stolz. Man hätte meinen können, er sei der Herr der Schöpfung. »Geben Sie mir eine Schere«, sagte der düster, in einem neuen Anflug von Niedergeschlagenheit. »Es kann auch ein Messer sein.«
      Ich reichte ihm den Brieföffner, der auf dem Schreibtisch lag. Mit heftigen, schwungvollen Bewegungen zerschnitt er die Bindfäden, riß das nasse Papier auf, zerknüllte es und warf es betont nachlässig auf den Fußboden, als wollte er sagen: Du kannst mich hinauswerfen und mich schelten, daß ich dein blankes Parkett beschmutze – wenn du den Mut hast, einen Menschen vor die Tür zu setzen, der sich so demütigen muß! Einen Menschen wie mich! Ein fast ebenmäßiger, schwarz lackierter Hexaeder aus gehobelten Brettern kam zum Vorschein. Der Deckel war nur zur Hälfte schwarz, die andere Hälfte war grün, und ich fragte mich unwillkürlich, ob ihm der schwarze Lack ausgegangen sei. Die Kiste war durch ein Chiffreschloß gesichert. Molteris stellte das Zifferblatt ein, wobei er sich bückte und es so mit der Hand verhüllte, daß ich die Kombination nicht erkennen konnte. Als das Schloß klickte, hob er langsam und vorsichtig den Deckel an.
      Aus Diskretion, aber auch weil ich ihm die Befangenheit nehmen wollte, setzte ich mich wieder in den Sessel. Ich hatte den Eindruck – obwohl er das nicht zu erkennen gab –, daß er mir dankbar dafür war. Jedenfalls schien er sich etwas beruhigt zu haben.
      Er griff mit beiden Armen in die Tiefe der Kiste und holte unter größter Mühe, so daß ihm Wangen und Stirn rot anliefen, einen großen brünierten Apparat mit irgendwelchen Deckeln, Lampen und Kabeln hervor, aber ich kenne mich ja darin nicht aus. Während er seine Last wie eine Geliebte umfangen hielt, versetzte er mit erstickter Stimme: »Wo ist eine Steckdose?«
      »Dort.« Ich zeigte in die Ecke neben dem Bücherschrank, denn an der anderen Steckdose war die Tischlampe angeschlossen. Er stapfte dorthin und setzte den schwarzen Apparat mit größter Vorsicht auf dem Fußboden ab. Darauf entrollte er eines der Kabel und steckte es in die Dose. Er kauerte sich neben seinen Apparat nieder, legte einige Hebel um, drückte auf Kontakte. Nach einer Weile füllte ein sanftes, melodisches Summen das Zimmer. Plötzlich malte sich Angst auf seinem Gesicht; er beugte sich über eine der Röhren, die im Gegensatz zu den anderen dunkel geblieben war. Er schnippte leicht mit dem Finger dagegen, und als auch das nichts half, drehte er ungestüm alle Taschen um, fand einen Schraubenzieher, ein Stückchen Draht, eine kleine Metallzange, warf sich vor dem Apparat auf die Knie und begann fieberhaft, obwohl mit größter Präzision, in den Innereien herumzustochern. Plötzlich füllte ein rosa Schimmer die erblindete Röhre. Molteris, der offensichtlich vergessen hatte, wo er sich befand, steckte mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung das Werkzeug in die Tasche, erhob sich langsam und sagte ganz ruhig, so wie man sagt, ich habe heute ein Butterbrot gegessen: »Tichy – das ist eine Zeitmaschine.«
      Ich antwortete nicht. Ich weiß nicht, ob Sie sich darüber im klaren sind, wie heikel und schwierig meine Lage war. Erfinder dieser Art, die das Elixier des ewigen Lebens oder einen elektrischen Propheten der Zukunft oder, wie in diesem Fall, eine Zeitmaschine konzipiert haben, stoßen auf den größten Unglauben all jener, die sie in ihr Werk einzuweihen versuchen. Sie sind voller Komplexe, sie sind reizbar und fürchten andere Menschen, doch gleichzeitig verachten sie sie, denn sie wissen, daß sie auf deren Hilfe angewiesen sind. Da ich das weiß, muß ich in ähnlichen Situationen äußerste Vorsicht walten lassen. Was immer ich schließlich anfinge, es würde falsch aufgefaßt werden. Ein Erfinder, der Hilfe sucht, ist von Verzweiflung getrieben und nicht von Hoffnung beseelt, er erwartet kein Wohlwollen, sondern Spott. Wohlwollen übrigens, das hat ihn die Erfahrung gelehrt, ist nur der Anfang, auf den gewöhnlich Geringschätzung folgt, verborgen hinter Überredungsversuchen, denn natürlich hat man ihm schon mehr als einmal seine Idee auszureden versucht. Wenn ich nun sagte: »Ach, das ist ja außergewöhnlich, haben Sie wirklich die Zeitmaschine erfunden?«, würde er sich vielleicht mit Fäusten auf mich stürzen. Der Umstand, daß ich schwieg, überraschte ihn.
      »Ja«, sagte er, indem er beide Hände herausfordernd in die Taschen steckte. »Das ist ein Zeitvehikel! Eine

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