Sterntagebücher
man schlägt. Molteris hob die Hand zu einer Abschiedsgeste, mit der anderen berührte er den schwarzen Griff und richtete sich hoch. Während er sich noch reckte, flammten die Lampen wieder in voller Stärke auf, und ich sah, wie sich seine Gestalt veränderte. Seine Kleidung wurde dunkler und begann sich zu verschleiern, aber ich achtete nicht darauf, ich war wie vom Donner gerührt durch das, was mit sei nem Kopf geschah: Er wurde durchsichtig, das schwarze Haar wurde weiß, seine Gestalt verschwamm und schrumpfte zugleich zusammen, so daß ich, als er mir samt dem Apparat aus den Augen verschwunden war und ich vor der leeren Zimmerecke, dem leeren Fußboden, der kahlen weißen Wand mit der leeren Steckdose stand – als ich, sage ich, so mit geöffnetem Mund dastand, einen Schrei des Entsetzens auf den Lippen, noch seine unheimliche Veränderung vor Augen hatte, denn während er, meine Herren, von der Zeit mitgerissen, verschwand, war er mit unheimlicher Geschwindigkeit gealtert, hatte er wohl Dutzende von Jahren im Bruchteil einer Sekunde erlebt! Auf schwanken Beinen ging ich zum Sessel, schob ihn beiseite, um diese leere, grell erleuchtete Ecke gut sehen zu können, setzte mich hin und wartete. Ich wartete so die ganze Nacht, bis zum Morgen. Meine Herren – seit der Zeit sind sieben Jahre vergangen. Ich denke, daß er wohl nie mehr zurückkehren wird, denn er hatte, von seiner Idee ergriffen, etwas ganz Einfaches, geradezu Elementares vergessen, was – ich weiß nicht, ob aus Unwissenheit oder aus Unlauterkeit – alle Autoren phantastischer Hypothesen übergehen. Ein Reisender in der Zeit muß, wenn er sich darin um zwanzig Jahre verschiebt, um eben so viele Jahre älter werden – wie könnte es auch anders sein? Sie stellten sich das so vor, daß man die Gegenwart des Menschen in die Zukunft übertragen könnte und seine Uhr die Stunde der Abreise ausweisen würde, während alle anderen Uhren die Stunde der Zukunft anzeigten. Aber das ist selbstverständlich unmöglich. Um das zu erreichen, müßte er aus der Zeit heraustreten und außerhalb ihrer gewissermaßen zur Zukunft emporklimmen; hätte er dann den gewünschten Augenblick erreicht, könnte er wieder in sie hineintreten – von außen, so als gebe es etwas, was außerhalb der Zeit liegt. Aber einen solchen Ort und einen solchen Weg gibt es nicht, und der unglückselige Molteris hatte mit eigenen Händen die Maschine betätigt, die ihn tötete – und zwar durch den Alterungsprozeß, durch nichts anderes. Als sie dort, am Zielpunkt der Zukunft, ankam, enthielt sie nur eine ergraute, zusammengeschrumpfte Leiche…
Und nun, meine Herren, das Schrecklichste an dieser Geschichte. Diese Maschine ist dort in der Zukunft stehengeblieben, dieses Haus aber mit der Wohnung und dem Zimmer und dieser leeren Ecke reist ebenfalls in der Zeit – allerdings auf die einzige uns zugängliche Weise –, bis es schließlich zu jenem Augenblick gelangen wird, in dem die Maschine stehengeblieben ist, und dann wird sie dort, in jener weißen Ecke auftauchen, und mit ihr Molteris… das, was von ihm geblieben ist… Und das ist völlig sicher.
V
(DIE WASCHMASCHINEN
TRAGÖDIE)
Kurz nachdem ich von der elften Sternreise zurückgekehrt war, entbrannte zwischen zwei großen Produzenten von Waschmaschinen, Nuddlegg und Snodgrass, ein Konkurrenzkampf, dem die Presse immer mehr Raum widmete.
Nuddlegg hatte wohl als erster vollautomatische Waschmaschinen auf den Markt gebracht, die nicht nur selbständig zwischen Weiß- und Buntwäsche unterscheiden konnten, nicht nur wuschen, auswrangen, trockneten, bügelten, stopften und säumten, sondern den Besitzer auch durch kunstvolle Monogramme erfreuten. Auf die Handtücher stickten sie erbauliche Sinnsprüche, etwa in der Art: Glück und Segen früh und spat schenkt Dir Nuddleggs Auto mat! Snodgrass reagierte, indem er Waschmaschinen anbot, die sogar Vierzeiler verfaßten, wobei sie sich ganz dem kulturellen Niveau und den ästhetischen Bedürfnissen des Käufers anpaßten. Das nächste Modell von Nuddlegg stickte bereits Sonette; Snodgrass beantwortete diese Herausforderung mit einem Gerät, das während der Fernsehpausen die Konversation im Schoße der Familie nährte. Nuddlegg versuchte zunächst, diesen Coup zu torpedieren. Sicherlich kennt noch ein jeder die ganzseitigen Reklamebeilagen in den Zeitungen, auf denen eine spöttisch grinsende, glotzäugige Waschmaschine abgebildet war, mit den Worten: Wünschst Du,
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