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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Maschine zum Reisen in der Zeit, verstehen Sie?«
      Ich nickte, darauf achtend, daß es nicht zu übertrieben ausfiel.
      Sein Impetus ging ins Leere, verpuffte – eine Weile machte er nicht gerade ein kluges Gesicht. Dieses Gesicht war nicht einmal alt, es war nur müde, von unsäglicher Qual geprägt, die blutunterlaufenen Augen zeugten von ungezählten durchwachten Nächten, seine Lider waren geschwollen, der Bart, den er wohl für diese Gelegenheit entfernt hatte, war an den Ohren und unterhalb der Lippe stehengeblieben, ein Zeichen, daß er sich schnell und voller Ungeduld rasiert hatte – auch ein schwarzes Pflästerchen auf einer Wange zeugte davon.
      »Sie sind ja wohl nicht Physiker?« fragte er, gleichsam feststellend.
      »Nein.«
      »Um so besser. Wären Sie Physiker, würden Sie mir nicht einmal glauben, auch nach dem, was Sie mit eigenen Augen sehen werden, weil das«, er deutete auf den Apparat, der ununterbrochen leise wie eine schläfrige Katze schnurrte (die Röhren warfen einen rosa Schein auf die Wand), »erst entstehen konnte, nachdem dieser Wust von Idiotismen widerlegt war, den diese Leute heute noch für Physik halten. Haben Sie einen Gegenstand, von dem Sie sich ohne Bedauern trennen können?«
      »Vielleicht finde ich einen«, antwortete ich. »Was soll es denn sein?«
      »Ganz gleich. Ein Stein, ein Buch, Metall – nur nichts Radioaktives. Keine Spur Radioaktivität, das ist wichtig. Das könnte ein Unglück herbeiführen.« Er redete noch, als ich aufgestanden war und zum Schreibtisch ging.
      Wie Sie wissen, bin ich ein Pedant, und der kleinste Gegenstand hat bei mir seinen unveränderlichen Platz. Besonderes Gewicht messe ich der Ordnung in meiner Bibliothek bei; um so mehr hatte mich etwas verwundert, was mir am Vortag widerfahren war: Ich hatte nach dem Frühstück, das heißt seit den frühen Morgenstunden, an einem Abschnitt gearbeitet, der mir viel Mühe bereitete – und als ich plötzlich den Kopf von den überall auf dem Schreibtisch herumliegenden Papieren hob, bemerkte ich an der Wand, in einer Ecke nahe dem Bücherschrank, ein dunkelrotes Buch in Oktavformat; es lag auf dem Fußboden, als ob es jemand dort hingeworfen hätte.
      Ich stand auf und bückte mich danach. Jetzt erkannte ich auch den Umschlag: Es war ein Abdruck aus einer Vierteljahreszeitschrift der kosmischen Medizin, der die Diplomarbeit eines entfernten Bekannten enthielt. Ich begriff nicht, wie das Buch auf den Fußboden gekommen war. Zwar hatte ich mich gedankenversunken an die Arbeit gesetzt und mich nicht eigens im Zimmer umgesehen, aber ich könnte schwören, daß auf dem Fußboden an der Wand nichts gelegen hatte, als ich ins Zimmer gekommen war – das wäre mir nicht entgangen. Schließlich mußte ich jedoch zugeben, daß ich versunkener als sonst gearbeitet hatte und deshalb unempfindlich gewesen war gegen meine Umgebung – und erst als die Konzentration nachgelassen hatte, bemerkte ich das schmale Bändchen auf dem Fußboden. Anders konnte ich mir diese Tatsache nicht erklären. Ich stellte das Buch ins Regal und vergaß den Vorfall, jetzt jedoch, nach Molteris’ Worten, kam mir der dunkelrote Rücken dieser für mich uninteressanten Arbeit wie von selbst in die Hand; wortlos reichte ich ihm das Bändchen.
      Er ergriff es, hielt es wägend und hob, ohne auch nur einen Blick auf den Titel zu werfen, den schweren Deckel im Innern des Apparats.
      »Kommen Sie bitte her«, sagte er.
      Ich stellte mich neben ihn. Er kniete nieder, drehte an einem Knopf, der dem Regler eines Rundfunkgeräts glich, und drückte auf einen konkaven weißen Knopf daneben. Alle Lichter im Zimmer wurden dunkler, in der Steckdose, an die der Apparat angeschlossen war, erschien mit einem eigentümlichen, durchdringenden Knistern ein blauer Funke, sonst geschah nichts.
      Ich dachte schon, er würde mir gleich alle Sicherungen durchbrennen, aber er sagte heiser: »Passen Sie auf!«
      Er legte das Buch flach in den Apparat und drückte einen kleinen schwarzen Hebel herunter, der an der Seite herausragte. Die Lampen erstrahlten wieder im normalen Licht, doch gleichzeitig trübte sich das dunkle Pappbändchen auf dem Grunde des Apparats. Im Bruchteil einer Sekunde wurde es durchsichtig, und ich glaubte, durch den geschlossenen Umschlagdeckel die weißen Konturen der Seiten und die verschwimmenden Druckzeilen zu sehen, aber das währte keine Sekunde, im nächsten Augenblick hatte sich das Buch

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