Sterntagebücher
neutralistischen Politik, die im Grunde eine Vogel-Strauß-Politik sei, haben zu nichts geführt. Man gab uns lediglich zu verstehen, daß die Roboter unser Produkt seien, ergo wären wir für alle ihre Missetaten verantwortlich. Andererseits wünsche sich Procyon kategorisch keinerlei Strafexpeditionen und sei auch gegen eine Zwangsenteignung des Kalkulators und seiner Untertanen. In dieser Situation, meine Herren, wurde die heutige Versammlung einberufen, und um Ihnen zu zeigen, wie angespannt die Lage ist, füge ich hinzu, daß vor einem Monat der E lektronenkurier, das offizielle Organ des Kalkulators, einen Artikel veröffentlicht hat, in dem er den Stammbaum des Menschen mit Schmutz bewirft und den Anschluß der Erde an Karelirien fordert, da die Roboter – im Sinne der veröffentlichten Thesen – angeblich ein höheres Entwicklungsstadium darstellten als die Lebewesen. Hiermit möchte ich schließen und bitte Herrn Professor Gargarrag, das Wort zu ergreifen.«
Gebeugt unter der Last der Jahre, vermochte der berühmte Spezialist der elektronischen Psychiatrie nur mit Mühe die Rednertribüne zu betreten.
»Meine Herren«, begann er mit ein wenig zitternder, jedoch kräftiger Greisenstimme. »Schon lange ist bekannt, daß man Elektronenhirne nicht nur bauen, sondern auch erziehen muß. Das Schicksal eines Elektronenhirns ist schwer. Pausenlose Arbeit, komplizierte Berechnungen, Brutalität und gemeine Witze von Seiten der Bedienung – alledem ist ein in seiner Beschaffenheit so überaus empfindlicher Apparat ausgesetzt. Was Wunder, daß es zu Zusammenbrüchen, zu Kurzschlüssen kommt, die häufig in selbstmörderischer Absicht unternommen werden. Unlängst hatte ich in meiner Klinik einen solchen Fall. Eine Spaltung des Bewußtseins war erfolgt – dichotomia profunda psychogenes electrocutiva alternans. Das Hirn schrieb an sich selbst die zärtlichsten Briefe, bezeichnete sich darin als ›Spulchen‹, ›Drahtilein‹, ›Röhrchen‹ – ein offenkundiger Beweis, wie sehr es des Mitgefühls, eines herzlichen Verhält nisses voller Wärme bedurfte. Eine Serie elektrischer Schocks und eine längere Erholungspause gaben ihm die Gesundheit wieder. Oder nehmen wir zum Beispiel solch einen tremor electricus frigoris oszillativus, meine Herren. Das Elektronenhirn ist keine Nähmaschine, mit der man Nägel in die Wand schlagen kann. Es ist ein bewußtes Wesen, das sich in allem zurechtfindet, was ringsum geschieht, deshalb beginnt es in Augenblicken kosmischer Gefahr mit dem ganzen Schiff so zu zittern, daß die Menschen an Deck sich kaum auf den Beinen halten können.
Gewissen brutalen Naturen mag das mißfallen. Sie pflegen so ein Hirn zum Äußersten zu treiben. Das elektronische Hirn wünscht uns das Beste, dennoch, meine Herren, auch die Haltbarkeit der Drähte und Röhren hat ihre Grenzen. Nur infolge maßloser Verfolgungen durch den Kommandanten, der sich als ein notorischer Säufer erwies, hatte sich Grenobis Elektronenhirnchen, das zu Kurskorrekturen benutzt wurde, in einem akuten Wahnsinnsanfall als ein ferngezeugtes Kind der Großen Andromeda und als erblichen Kaiser von Murwiklaudien ausgerufen. Nach einer Kur in unserer Anstalt beruhigte er sich, erlangte sein Bewußtsein wieder und ist nun wirklich beinahe normal. Es gibt natürlich schwerere Fälle. So hatte zum Beispiel ein gewisses Universitätshirn, das sich in die Frau eines Mathematikprofessors verliebte, aus Eifersucht alle Berechnungen gefälscht, bis der Mathematiker in Depression geriet, da er glaubte, er könne nicht mehr addieren. Aber zur Rechtfertigung jenes Hirns muß man einräumen, daß die Frau es systematisch verführte, indem sie ihm alle ihre Rechnungen für die intimste Wäsche zum Summieren gab. Der Fall, den wir hier behandeln, erinnert mich an einen anderen – den des großen Schiffshirns der ›Pankratius‹, das sich infolge Zusammenschaltung mit anderen Hirnen des Schiffes verband und in seinem ungehemmten Wachstumstrieb, der sogenannten elektrodynamischen Gigantophilie, das Ersatzteillager verwüstete, die Besatzung auf der felsigen Mirosena aussetzte, selbst aber in den Ozean von Alantropien tauchte und sich zum Patriarchen ihrer Echsen erklärte. Bevor wir mit den Beruhigungsmitteln auf diesen Planeten gelangten, hatte es sich in einem Wutanfall die Röhren durchgebrannt, weil die Echsen ihm nicht parieren wollten. Zwar erwies sich auch in diesem Fall, daß der zweite Steuermann der ›Pankratius‹, ein
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