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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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bekannter kosmischer Falschspieler, dem unglückseligen Hirn beim Spiel mit gezinkten Karten alles bis auf das letzte Drähtchen abgewonnen hatte. Der Fall des Kalkulators liegt jedoch etwas anders, das ist eine Ausnahmeerscheinung, meine Herren. Wir haben es da mit den Symptomen solcher Krankheiten zu tun wie Gigantomania ferro genes acuta, wie Paranoia misantropica persecutoria, wie Polyplasia pane lectropsychica debilitativa gravissima, wie endlich auch mit der Necrophi lia, Thanatopbilia und Necromantia. Meine Herren! Ich muß Ihnen eine gewisse Angelegenheit erläutern, die zum Verständnis dieses Falles von grundsätzlicher Bedeutung ist. Das Raumschiff ›Gottesgabe‹ hatte außer dem Stückgut, das für die Reeder von Procyon bestimmt war, auch mehrere synthetische Quecksilbergedächtnisbehälter an Bord, deren Abnehmer die galaktische Universität in Fomalhaut war. Sie enthielten zwei Arten von Kenntnissen: solche aus dem Bereich der Psychopathologie und solche der archaischen Lexikologie. Es ist anzunehmen, daß der Kalkulator, als er sich ausbreitete, diese Behälter verschlungen hat. Damit hat er auch Kenntnis erlangt über solche Geschichten wie die von Kuba dem Bauchschlitzer und dem Würger aus Gloomspick, wie die Biographie Sacher-Masochs, die Tagebücher des Marquis de Sade, die Protokolle der Geißelbrüdersekte aus Pirpinact, das Original des Buches von Murmuropoulos Der Marterpfahl im Querschnitt der Jahr hunderte sowie die Rarität aus der Bibliothek in Abbercrombie – Spießen, eine handschriftliche Abhandlung des im Jahre 1673 in London geköpften Hapsodors, der unter dem Spitznamen ›Halskette der Säuglinge‹ bekannt war; von dem gleichen Autor auch: Würgen, Niedermähen und Verbrennen – ein Beitrag zur Henkerkunde sowie die einzige Schrift ihrer Art, die von O. Galvinari aus Amagonien kurz vor seinem Tod niedergeschriebene Ölspeisenkarte. In jenen fatalen Behältern befanden sich auch auf steinernen Tafeln entzifferte Sitzungsprotokolle der Kannibalensektion des Neandertaler Schriftstellerverbandes wie auch die Galgenbetrachtungen des Vicomte de Crampfousse; wenn ich noch hinzufüge, daß darin auch solche Werke Platz fanden wie Der perfekte Mord, Das Geheim nis der schwarzen Leiche oder Das ABC des Mordes von Agatha Christie, so können Sie sich wohl vorstellen, meine Herren, welch schrecklichen Einfluß dies auf die von Natur aus harmlose Persönlichkeit des Kalkulators haben mußte.
      Bekanntlich bemühen wir uns nach Kräften, die Elektronenhirne in Unkenntnis dieser schrecklichen Seiten des Menschen zu lassen. Nun, da die Umgebung des Procyon bevölkert ist von der eisernen Brut einer Maschine, die bis zum Rande gefüllt ist mit der Geschichte der irdischen Degeneration, der Verkommenheit und des Verbrechens, muß ich leider gestehen, daß die Elektropsychiatrie in diesem Fall völlig ohnmächtig ist. Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen.«
      Der gebrochene Greis verließ schwankenden Schrittes das Podium inmitten einer dumpfen Stille, die alle erfaßt hatte. Ich hob die Hand. Der Vorsitzende sah mich überrascht an, aber nach kurzem Zögern erteilte er mir das Wort.
      »Meine Herren«, sagte ich, während ich mich erhob, »die Sache ist, wie ich sehe, ernst. Ihre Ausmaße vermochte ich erst nach den eindringlichen Worten von Herrn Professor Gargarrag richtig einzuschätzen. Ich möchte hiermit der geehrten Versammlung ein Angebot machen. Ich bin bereit, mich allein in das Gebiet des Procyon zu begeben, um zu erforschen, was dort geschieht. Ich will das geheimnisvolle Verschwinden von Tausenden Ihrer Leute aufdecken und, soweit mir das möglich ist, auch zu einer friedlichen Regelung des entstandenen Konfliktes beitragen. Mir ist klar, daß dieses Problem schwieriger ist als alle, auf die ich bisher gestoßen bin, aber es gibt Augenblicke, in denen man handeln muß, ohne die Chancen des Erfolgs oder das Risiko zu erwägen. Hiermit, meine Herren…«
      Die folgenden Worte verschlang ein Beifallssturm. Ich übergehe, was sich darauf abspielte, es glich zu sehr einer mir dargebrachten Ovation. Die Kommission und die Versammlung statteten mich mit allen Vollmachten aus. Tags darauf führte ich ein Gespräch mit dem Leiter der Procyonabteilung und Chef der kosmischen Spionage, Geheimrat Malingraut.
      »Wollen Sie schon heute fliegen?« sagte er. »Ausgezeichnet. Aber nicht mit Ihrer Rakete, Tichy. Das ist unmöglich. Bei solchen Missionen benutzen wir immer besondere

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