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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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synchronisieren, glühte QUAK durch eine Explosion den Mars aus und verwandelte ihn in eine einzige Wüste; alle Ozeane verdunsteten und ver flüchtigten sich in den Weltraum, die geronnene Rinde des Planeten barst und bildete ein Netz eigenartiger Gräben, die Hunderte von Meilen breit waren. Das führte im 19. Jahrhundert zu der Hypothese von den Marskanälen. Da ich nicht wünschte, daß eine frühere Menschheit von unserer Aktion erfuhr, weil das bei ihr schädliche Komplexe auslösen konnte, befahl ich, alle Kanäle zuzuzementieren, was auch ein gewisser Ing. Lavache um das Jahr
    1910 herum tat; spätere Astronomen wunderten sich über ihr Verschwinden nicht, sie hielten die Angelegenheit für eine optische Täuschung ihrer Vorgänger. KOAX, der die Venus fruchtbar machen sollte, war nun schon gegen QUAK-Havarien gesichert, und zwar durch AMOREK (Amortisator der kinechronischen Energie), aber dann versagten die POPOs (Potentielle Orbitale Programm-Oberprüfer), und die gesamte Venus wurde von einer giftigen Atmosphäre umgeben, die infolge des Chronoklasmus entstand. Ich berief den Ingenieur Wadenlecker, der für diese Operationen verantwortlich war, von seinem Posten ab, aber nach einer Fürsprache des Wissenschaftlichen Rates gestattete ich ihm, noch die letzte Phase der Experimente durchzuführen. Diesmal kam es nicht nur zu einer Havarie, sondern zu einer Katastrophe im kosmischen Maßstab. Der durch die Bewegung gegen den Zeitstrom angetriebene BREKEKEK raste dermaßen in die Gegenwart vor 6,5 Milliarden Jahren hinein, und zwar ganz dicht an der Sonne vorbei, daß er ein gewaltiges Stück Sternmaterie herausriß, das sich unter dem Einfluß der Schwerkraft zu drehen begann und zum Anfang aller Planeten wurde.
      Wadenlecker versuchte sich zu wehren, indem er behauptete, daß durch ihn das Sonnensystem entstanden sei, denn hätte es nicht die Havarie des Chronalkopfes gegeben, dann wäre die Chance der Entstehung der Planeten gleich Null gewesen. Spätere Astronomen wunderten sich darüber, daß ein Stern so dicht an der Sonne vorbeifliegen konnte, um daraus protoplanetare Materie herauszureißen, denn tatsächlich gehören solche nahen Passagen von Sternen zu den fast unmöglichen Erscheinungen; ich setzte also den frechen Kerl endgültig ab, denn ich sah den Sinn und die Ziele des Projekts nicht darin, daß solche Dinge unabsichtlich passierten, durch Nachlässigkeit und Unachtsamkeit. Wenn es soweit gewesen wäre, hätten wir die Anordnung der Planeten viel ordentlicher gestalten können. Im übrigen hatte das technische Referat in der Tat nichts aufzuweisen, dessen es sich rühmen konnte, nachdem Venus und Mars ruiniert waren.
      Auf der Tagesordnung blieb der Plan, die Umdrehungsachse der Erde zu begradigen; es ging darum, ihr Klima gleichmäßiger zu gestalten, ohne polare Fröste und ohne die Glut des Äquators. Das Ziel der Operation war humanitär; mehr Gattungen sollten im Kampf ums Dasein überdauern. Das Ergebnis war das Gegenteil: Die längste Eiszeit der Erde, die kambrische Periode, hatte Ingenieur Hansjakob Plötzlich durch den Abschuß einer schweren »Reguliereinheit« verursacht, die der Erdachse ein sogenanntes Double verlieh. Die erste Glazialzeit wurde, statt den eilfertigen Zeitingerenten zu warnen, mittelbar die Ursache einer zweiten – als Ing. Plötzlich nämlich sah, was er angerichtet hatte, schoß er ohne mein Wissen die nächste »Korrekturladung« ab. So kam es zu einem Chronoklasmus und zu einer neuen Eiszeit, diesmal im Pleistozän.
      Ehe ich diesen unverbesserlichen Menschen von seinem Posten absetzte, hatte er schon die dritte Chronokollision verursacht; seither deckt sich, durch seine Schuld, der magnetische Pol nicht mit der Umdrehungsachse, weil der Planet noch nicht aufgehört hat zu schwanken. Ein Zeitspritzer des »Korrektors« flog in ein Millionenjahr vor unserer Ära – an dieser Stelle befindet sich heute der große Krater von Arizona; zum Glück kam dabei niemand um, denn es gab damals noch keine Menschen; nur der Urwald verbrannte. Der zweite Splitter wurde erst um das Jahr 1908 gebremst – die Leute aus jener Zeit kennen ihn als den »tungusischen Meteoriten«. All das waren also keine Meteoriten, sondern in der Zeit zerfallende Stücke des unbeholfen angefertigten »Optimalisators«. Ich warf diesen Plötzlich hinaus, ohne mich nach jemandem zu richten, und als man ihn nachts im Chronoratorium ertappte (er hatte – man bedenke! – Gewissensbisse

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