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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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und wollte »korrigieren«, was er uns eingebrockt hatte), verlangte ich als Strafe für ihn eine Relegation in der Zeit.
      Aber dann gab ich doch nach, was ich heute bedauere, und besetzte auf Rosenbeißers Einflüsterungen hin den frei gewordenen Posten durch den Ingenieur Dyndall, ohne zu ahnen, daß er der Schwager des Professors war. Die Folgen der Vetternwirtschaft, in die ich nun unwissentlich geriet, ließen nicht lange auf sich warten. Dyndall war der Erfinder des FLÄZ (Fehlerfreier ÄonenZerstäuber), den der Zeitingenieur Bummeland vervollkommnete. Sie argumentierten folgendermaßen: Wenn die ungeheure gigachronische Energie beim Chronoklasmus schon frei wird, dann soll sie sich wenigstens, statt durch eine Explosionswelle zu wirken (wie jene, die den Mars ausgeglüht hat), in reine Strahlung verwandeln. Diese nicht voll ausgereifte Idee (Absichten zählen nicht!) bereitete mir viel Sorgen. FLÄZ hatte zwar die kinetische Energie in Strahlungsenergie umgewandelt, aber was nutzte das, wenn durch die Strahlung – in der Mitte des Mesozoikums – alle Echsen und Gott weiß wie viele andere Gattungen umgekommen sind.
      Bummeland versuchte sich mit der Behauptung zu verteidigen, daß ja nichts Schlimmes passiert sei, denn auf die verwaiste Szene des evolutiven Prozesses konnten eben durch seine Hilfe nun die Säugetiere treten, von denen schließlich auch der Mensch abstamme. Als wäre das schon entschieden gewesen! Durch den Saurozid wurden wir eines anthropogenetischen Manövers beraubt, und damit wollte man sich noch brüsten! Dyndall heuchelte Reue und legte sogar Selbstkritik ab, aber es ist nicht wahr, daß er freiwillig von seinem Posten zurückgetreten ist. Ich hatte Rosenbeißer gesagt, daß ich die Direktion nicht betreten würde, solange sein Schwager im Projekt verbleibe.
      Nach dieser fatalen Serie trommelte ich die gesamte Belegschaft zusammen und hielt eine Rede, in der ich warnte, daß ich mich gezwungen sehe, von nun an drakonische Maßnahmen gegen jene anzuwenden, die gegen die Sicherheit der Vergangenheit verstoßen. So etwas würde von nun an nicht nur mit Absetzung geahndet werden!
      Es gab Einwände. Havarien, so hieß es, seien verständlich, ja unvermeidlich, wenn man eine solche Technologie von nie dagewesenem Ausmaß in Gang setze; wie viele Raketen seien einst in der Morgendämmerung der kosmonautischen Ära auseinandergeflogen; und unsere Tätigkeit, die sich in der Zeit abspiele, berge ungleich größere Gefahren in sich. Der Wissenschaftliche Rat empfahl mir einen neuen Zeitexperten; einen gewissen Professor L. Nardeau de Vince. Ihn und Boskovic warnte ich vor dem nächsten Experiment; keine Macht der Welt könne mich zwingen, bei durch Gewissenlosigkeit verschuldeten Unfällen Nachsicht zu üben.
      Ich zeigte ihnen die Denkschriften, die Wadenlecker, Bummeland und Dyndall hinter meinem Rücken an den Wissenschaftlichen Rat gerichtet hatten – sie waren voller Widersprüche. Einmal beriefen sie sich auf objektive Schwierigkeiten, ein andermal münzten sie die Folgen ihrer Fehler in Verdienste um. Ich sagte ihnen, daß sich jene irrten, die mich für einen Analphabeten hielten. Es genügten die arithmetischen Kenntnisse im Bereich der vier Rechenarten, um festzustellen, wieviel Sonnenmaterie bereits unproduktiv vergeudet worden sei, denn alle Uranplaneten, wahre Abfallhalden, ach was, Kloaken voller Ammoniak, seien nicht mehr zu gebrauchen; beim Mars und bei der Venus hatte ich schon ein Kreuz gemacht und hatte nun grünes Licht für den letzten Versuch der Ausbesserung des Sonnensystems gegeben. Das Programm sah die Umarbeitung des Mondes in eine Oase für erschöpfte Kosmonauten der Zukunft vor und gleichzeitig in eine Umsteigestation auf dem Wege zur Athene.
      Ihr wißt nicht, was die Athene ist? Ich wundere mich gar nicht darüber. Diesen Planeten sollte die Gruppe Gestirner, Starshite und Astroianni vervollkommnen. Das Projekt war noch nie mit soviel Unbeholfenheit angepackt worden. Das Telechronische Trottoirsystem (TROTTEL) versagte, die LIEBKOSI (LiminalEntropisch Bremsende Kollisionssicherung) barst, und die Athene, die bisher auf einer Umlaufbahn zwischen Erde und dem Mars gekreist war, zersprang in neunundneunzigtausend Stücke – nur der sogenannte Asteroidengürtel blieb von ihr übrig. Was den Mond betrifft, so hatten die Herren Optimalisatoren seine Oberfläche förmlich massakriert; sonderbar, daß nicht auch er auseinandergeflogen ist. So ist

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