Sterntagebücher
idiotische Formen hatten, weil sie nicht zum Betrachten entworfen worden waren. Schließlich tauschte man sie mir gegen eine Garnitur antiker Möbel aus der zweiten Hälfte des 23. Jahrhunderts aus, und nun erst fühlte ich mich heimisch. Wenn ich von diesen Lappalien spreche, greife ich nicht nur den Tatsachen vor, sondern ich charakterisiere zugleich die Mängel des Projekts. Freilich wäre mein Direktorenleben ein Paradies gewesen, wenn es sich auf dekorative Möbelangelegenheiten beschränkt hätte.
Man brauchte eine Enzyklopädie, um all das darzustellen, was das Projekt unter meiner Leitung leistete, deshalb werde ich stark zusammenfassend die hauptsächlichen Etappen der Arbeiten schildern. Was die Struktur der Organisation betrifft, so war sie zweigleisig. Mir unterstanden das REFTEK (Referat für Technik und Kalenderangelegenheiten) mit den Abteilungen der Quantenstoßtemporistik und der dispersiven Temporistik sowie das historische Referat, unterteilt in das Menschliche und das Außermenschliche Ressort. Chef der Technologen war Dr. R. Boskovic, die »Geschichtsmacher« leitete Prof. P. Latton an. Außerdem standen die Abteilungen der Historanger und der Zeitschirmjäger (der Chronochutisten) mit der Brigade zur Notentthronisierung und dem Aufsichtsapparat zu meiner persönlichen Verfügung. Diese Rettungseinheit, eine Art Feuerwehr für unvorhergesehene und bedrohliche Angelegenheiten, nannte sich abgekürzt MOIRA (Mobile Rettungsinspektion). Als ich eintraf, waren die Zeittechnologen soweit, telechronische Operationen im großen Maßstab zu beginnen, während im Ressort für Menschliche Angelegenheiten (sein Leiter war Dozent Harry S. Totteles) die Fachleute Hunderte von HAREMS ausarbeiteten (Harmonogramm der Meliorativen Edukation). Parallel dazu projektierte das Ressort für Außermenschliche Angelegenheiten (Körper-Ing. O. Goodlay) Varianten zur Ausbesserung des Sonnensystems, d. h. der Planeten mit der Erde an der Spitze, ebenso der Lebensevolution, der Anthropogenese und so weiter. Alle hier erwähnten Untergebenen mußte ich nacheinander entlassen; mit jedem von ihnen verbinden mich in meiner Erinnerung Krisen im Schoße des Projekts; ich werde sie zu gegebener Zeit erwähnen, damit die Menschheit erfährt, wem sie ihre Nöte zu verdanken hat.
Zunächst war ich voll der besten Hoffnungen. Nachdem ich einen verkürzten Lehrgang absolviert hatte, eine Einführung in die Elemente der Telechronie und der Chronomutation, und auch die organisatorischen Probleme (der Ressortkompetenz, der Arbeitsteilung und so weiter) beherrschte, wobei es schon damals zu einem Streit mit dem Hauptbuchhalter (Eug. Clydes) kam, konnte ich erst ermessen, wie titanenhaft meine Aufgabe war. Die Wissenschaft des 27. Jahrhunderts bot mir verschiedene Technologien zum Handeln in der Zeit, und als ob das noch nicht genügte, harrten Hunderte von Plänen zur historischen Ausbesserung meiner Entscheidung. Hinter jedem dieser Projekte stand das Wissen und die Autorität vortrefflicher Fachleute, und ich sollte in diesem embarras de richesse die Auswahl treffen! Es gab nämlich noch keine Einigung darüber, nach welcher Methode die Vergangenheit ausgebessert werden sollte und von welchem Zeitpunkt an das zu tun war, ja nicht einmal, wie weit wir in unseren Interventionen gehen würden.
In der ersten, vom Optimismus geprägten Arbeitsphase hatten wir vor, die Geschichte der Menschheit noch nicht anzurühren, sondern das instand zu setzen, was ihr in Äonen vorausgegangen war; unser monumental zugeschnittenes Programm – ich zähle das nur als Beispiel auf – sah unter anderem folgendes vor: Entvulkanisierung der Planeten, Geradebiegen der Erdachse, Vorbereitung günstiger Bedingungen für eine künftige Kolonialisierung auf dem Mars und auf der Venus, wobei der Mond als eine Art Brücke oder Übergangsstation für die Auswandererkosmonautik dienen sollte, die in drei bis vier Milliarden Jahren entstehen würde. Das Bild von der besseren Vergangenheit beschwörend, ordnete ich die Ingangsetzung der Generatoren des Isochronischen Systems (GENESIS) an. Drei Typen standen schon bereit – BREKEKEK, KOAX und QUAK. Ich weiß nicht mehr genau, was diese Abkürzungen bedeuteten; KOAX arbeitete koaxial, der letzte bezeichnete die Quantenkorrektur.
Die Ergebnisse der Ingangsetzung übertrafen die schlimmsten Erwartungen; Havarie folgte auf Havarie. Anstatt weich zu bremsen und sich mit dem normalen Zeitverlauf zu
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