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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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gesagt, Rosenbeißers Leute haben hinter uns beiden eine Schleife geschlossen, das heißt zugeknallt, und wir werden so lange darin herumwandern, bis du Direktor wirst!«
      »Ein schöner ›Vorschlag‹!« schrie ich. »Und was wird, wenn ich dir sämtliche Knochen breche?«
      »Nur das, daß du dir dann später die Wunden verbinden mußt, zu gegebener Zeit. Du brauchst den Vorschlag nicht anzunehmen, in dem Sinne, daß wir uns auf diese Weise unterhalten können, solange unser Leben währt…«
      »Ach was! Ich kann dich im Keller einschließen und gehen, wohin es mir beliebt!«
      »Eher werde ich dich dort einschließen, ich bin nämlich stärker.«
      »Was du nicht sagst!«
      »Du sollst es wissen. Ich habe von der Kost des Jahres 2661 gelebt, und die ist viel nahrhafter als die jetzige, deshalb wirst du mir nicht einmal eine Minute gewachsen sein.«
      »Das wollen wir erst mal sehen…«, knurrte ich drohend und erhob mich vom Sessel. Er rührte sich nicht einmal.
      »Ich kann ›Jurjudo‹!« bemerkte er lässig.
      »Was ist das?«
      »Ein vervollkommnetes Judo aus dem Jahre 2661. Ich mach dich im Nu unschädlich.«
      Ich war wütend, aber die langjährigen Lebenserfahrungen hatten mich gelehrt, mich sogar im größten Zorn zu beherrschen. Deshalb kam ich nach dieser Unterhaltung mit ihm, das heißt mit mir, zu dem Schluß, daß es wirklich keinen anderen Ausweg gab. Im übrigen sagte die historische Mission, die meiner in der Zukunft harrte, sowohl meinen Ambitionen als auch meiner Natur zu. Mich empörte lediglich der Zwang, aber ich erkannte, daß ich nicht mit ihm, dem Werkzeug, sondern mit seinen Auftraggebern abrechnen mußte.
      Er zeigte mir, wie man das Chronozykel lenkt, und gab mir ein paar praktische Hinweise. Ich nahm also auf diesem kleinen Sattel Platz und wollte ihm noch sagen, daß er aufräumen und einen Tischler zur Reparatur der Bücherregale holen solle, aber auch das brachte ich nicht mehr hervor, denn er hatte schon auf den Starter gedrückt.
      Er, das Lampenlicht, das ganze Zimmer, alles war wie weggeblasen. Die Maschine unter mir, diese Metallstange mit dem sich trichterförmig verbreiternden Auspuff, begann zu zittern, mitunter hüpfte sie so stark, daß ich mit ganzer Kraft die Griffe drückte, um nicht aus dem Sattel zu fallen. Ich sah nichts, ich hatte nur den Eindruck, es reibe mir jemand Gesicht und Körper mit Drahtbürsten; wenn ich glaubte, daß die Geschwindigkeit in der Zeit allzusehr wuchs, zog ich die Bremse, und dann tauchten undeutliche Formen aus dem schwarzen wallenden Brausen um mich herum auf.
      Es waren riesige Gebäude, kugelförmig, dann wieder schlank, durch die ich wie der Wind durch einen Zaun hindurchfegte. Jedesmal schien es so, als müßte ich mit den Mauern zusammensto ßen, also schloß ich instinktiv die Augen und beschleunigte wieder die Geschwindigkeit, das heißt das Tempo. Einige Male wurde die Maschine so wild hin und her geworfen, daß mein Kopf nur so hüpfte und mir die Zähne klapperten. In einem bestimmten Augenblick verspürte ich eine schwer zu beschreibende Veränderung; mir schien, als befände ich mich in einer Umgebung, die dicht wie Sirup war, klebrig und erstarrend. Mir kam der Gedanke, daß ich mich durch ein Hindernis hindurchkämpfte, das letztlich mein Grab werden könnte, so daß ich, gefangen im Beton, samt dem Chronozykel wie ein sonderbares Insekt in Bernstein erstarren würde. Aber wieder zerrte es mich nach vorn, das Chronozykel erbebte, und ich stürzte auf etwas Elastisches, das zu schaukeln begann. Der Apparat glitt unter mir weg, weißer Glanz schlug mir in die Augen, ich mußte sie wie geblendet schließen.
      Als ich sie aufschlug, umgab mich Stimmengewirr. Ich lag mitten auf einem großen Schild aus Schaumstoff, der mit konzentrischen Kreisen bemalt war wie eine Zielscheibe auf einem Schießstand; das umgefallene Chronozykel ruhte einen Schritt daneben, und ringsherum standen an die siebzig Personen in funkelnden Kombinationen. Ein kleiner, zur Kahlköpfigkeit neigender blonder Mann trat auf die Matratze des Schildes, half mir beim Aufstehen und schüttelte mehrmals meine Hand, während er sagte: »Ich begrüße Sie aufs herzlichste! Rosenbeißer.«
      »Tichy«, antwortete ich mechanisch. Ich sah mich um. Wir standen in einer Halle ohne Fenster, die so groß war wie eine Stadt, hoch oben bedeckt von einem himmelfarbenen Gewölbe; in einer Reihe dicht nebeneinander standen die

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