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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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heruntergerissen, hineingestopft und vergessen. Seit ein Kollege gehöhnt hatte, Kriminaloberkommissarin Henkel greife wohl schon nach Handschuhen, sobald sie telefonisch von einem Leichenfundort erfuhr, achtete sie darauf, sie frühzeitig wieder auszuziehen, denn sie haßte es, wenn man ihr nachsagte, sie sei zimperlich. Sie war dreißig und wollte Hauptkommissarin werden, woanders, am besten bei der Zielfahndung, aber das klappte ja nicht. Manchmal träumte sie vom Lottogewinn und vergaß zu spielen, wollte die Nächte durchtanzen und am Morgen nicht zur Arbeit gehen, nie mehr zur Arbeit gehen, was man so wollte. Ein Loft in der Stadt, ein Ferienhäuschen im Süden, ein komplettes Outfit von Gaultier. Ein Cabrio.
    In der Küche stand ein kleines Abendbrot aus Weißbrot, Käse und Oliven. Mit dem Teller und einem Glas Rotwein ging sie auf den Balkon und stellte fest, daß Schlaf sich kaum noch lohnte. Als sie ihn hinter sich hörte, hob sie ihr Glas. »War ich zu laut?«
    Tom setzte sich neben sie und legte einen Arm um ihre Schulter. »Ich hab nicht richtig geschlafen.«
    »Danke fürs Essen.« Sie küßte ihn. »Magst du Wein?«
    Er schüttelte den Kopf. »Hab zuviel Bier getrunken, muß dauernd pinkeln.« Sein Haar roch nach ihrem Shampoo, der ganze Kerl roch nach Pfirsich. Er trug nur die schwarzen Shorts, die sie ihm gekauft hatte, weil sie die ziemlich sexy fand. Seit sie zusammenlebten, entsorgte sie nach und nach seinen farbenfrohen Wäschebestand.
    Sie legte eine Hand auf seine Wange. Noch immer war es windstill und warm; Cabriowetter, wenn man eins hätte. Poolwetter, ein eiskalter Amontillado am Beckenrand. Liebesnachtwetter. »Weißt du was«, murmelte sie, »wenn’s klappt, können wir Samstag abend rausfahren. Irgendwohin ans Wasser, ich weiß aber noch nicht, ob’s klappt. Oder wir gehen auf diese Party, was meinst du?«
    »Klappt ja doch nicht.« Er gähnte und rieb sich die Brust. »Jemand tot?«
    »Ja.« Sie schob ihm eine Olive in den Mund. »Wird spät die nächsten Tage.«
    »Siehste? Verfluchte Scheiße«, nuschelte er, und sie schob noch ein Stück Käse hinterher.
    »Dauernd geht das so.« Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie.
    »Hast du wieder Frühschicht?« fragte sie.
    Er brummte etwas.
    »Tommy.« Sie streichelte seinen Nacken, und er murmelte: »Der Eierkoch ist krank.«
    Sie lachte. »Ist das ein Beruf? Eierkoch?«
    »Na, der kommt vor dem Frühstück. Ich weiß nicht, wie sie es in schicken Hotels nennen, bestimmt was Französisches. Bei uns heißt er halt Eierkoch.«
    »So, und dann darfst du jetzt auch noch die Eier kochen? Kartoffeln schälen reicht noch nicht?« Sie wartete seine Antwort nicht ab. »Du bist da Portier, du mußt nicht alles machen.«
    »Ich muß das Frühstück machen, weil er halt krank ist. Du mußt bestimmt auch nicht laufend bis nachts da draußen rumrennen, ihr habt doch genug Leute in dem Laden.«
    »Du weißt genau, wie es ist«, sagte sie. »Wer Bereitschaft hat, kriegt die Geschichte, meinst du, mir macht das Spaß?«
    »Scheiß Bullerei.«
    »Ja«, sagte sie, »hast recht.«
    Er streckte sich. »Deine Mutter hat angerufen. Sie hat uns für Sonntag wieder ausgeladen, und ich soll dir ausrichten, du weißt auch, warum. Mir sagt sie ja nix weiter, was war denn wieder los?«
    »So. Meine Mutter!« Sie knallte das Weinglas auf den kleinen Tisch. »Ich hetz mich ab heute früh, um rauszufahren und ihr diese Kiste Wein zu bringen, und siehe da! Präsentiert die mir so einen Typ –« Sie stellte auch den Teller weg, als brauche sie Platz zum Fuchteln. »Sitzt da einer beim Frühstück und macht sich breit, verstehst du? Ich meine, ich hab den natürlich nie vorher gesehen, und sie tanzt drum herum und nennt ihn ihren Bekannten, wie findest du das denn?«
    »Mmh. Und was war da jetzt schlimm?«
    »Na hör mal, mein Vater ist vor sechs Jahren gestorben, weißt du, wie ich das finde?«
    »Na ja«, sagte er, »sechs Jahre ist ’ne lange Zeit.«
    »Tatsächlich?« Mit zwei Fingern klopfte sie auf seinen Schenkel. »Du meinst also, wenn man fünfundzwanzig Jahre zusammenwar und einer stirbt von heut auf morgen, dann sucht man sich so mir nix, dir nix –«
    »Hat sie ja nicht. Hat doch sechs Jahre gewartet. Die ist doch fuffzig, oder?«
    »Dreiundfünfzig.«
    »Ja«, sagte er, »das ist noch gar nicht so alt. Und dann hat sie keinen Mann. Wenn sie jetzt auch so viel Spaß am Sex hat, dann –«
    »Meine Mutter? «
    »Klar.«
    »Darum geht’s mir

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