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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Sabine Klein hinter ihr. »Wirklich kein Käffchen?«
    Ina schüttelte den Kopf. »Ich möchte Sie nicht aufhalten.« Aber natürlich wollte sie das, wollte diese Frau aussaugen wie ein Vampir, und Sabine Klein sagte mit fast atemloser Stimme: »Ich war Kellnerin, so haben wir uns kennengelernt. Es war so eine Schmuddelbar, da stand ich hinterm Tresen, und Katja war Stammgast, denn die mochte keine schicken Bars. Wir haben stundenlang geredet und haben auch außerhalb der Bar viel unternommen, sie war ja kein bißchen eingebildet oder so, auch als sie schon längst berühmt war.«
    Berühmt, siehst du? Ina blickte in Sabine Kleins glänzende Augen. Katja kam zu Sabine an den Tresen, Katja war berühmt. Ich hab neben Sunny im Damenklo gestanden, und Sunny war berühmt. Siehst du, Frau Kammer, das vergißt man nicht, ich meine, unsereins vergißt das nicht, die wir nicht so viel abkriegen vom Licht. Ihr seid ja ziemlich schnell berühmt, rülpst einmal vor der Kamera und steht in der Zeitung. Genauso schnell seid ihr vergessen. Aber ihr kommt an, macht Wind in einem anderen Leben, und wenn ihr weiterzieht, steht jemand mit hängenden Armen da. Guck sie dir an, deine alte Freundin, die noch heute auswendig weiß, was ihr getan und geredet habt, zwischen zwei Schlucken, zwischen zwei Nächten. Du könntest mir selbst davon erzählen, ohne Ende aus einem anderen Leben berichten, in dem die Musik ständig dröhnt und der Wecker nie klingelt und die Menschen sich tanzend bewegen, auf der Suche nach Freude und Lust, und ich werd dir zuhören, bestimmt.
    »Katja war maßlos.« Mit gehetzter Stimme stieß Sabine Klein ihre Sätze hervor, als wäre sie ein stiller Fluß gewesen, in dem das Wasser sich sammelte und nun über die Ufer trat. »Wenn sie jemanden mochte, hat sie ihn mit Zärtlichkeit überschüttet, aber sie hat keinen beachtet, der sie nicht interessierte. Sie war nicht höflich, nein, sie konnte Gespräche abbrechen und zu einem sagen: Oh je, Sie sind aber langweilig. Vielleicht hatte sie keine Zeit für Höflichkeiten, sie sagte immer, sie wollte ihre Zeit nicht verplempern.«
    Sonderbar, nicht? Jeder redete anders über sie. Als arglos und furchtbar nett hatten andere sie beschrieben, als spontan und vol-1er Herzlichkeit – wer bist du denn, laß es mich wissen, laß uns reden übers Leben, über Männer, übers Glück. Ich tu dir doch nichts.
    »Sie war wie auf einer Klippe«, sagte Sabine Klein, »und balancierte da oben herum. Man sagt ja auch, jemand steht unter Strom, verstehen Sie?«
    »Ja«, sagte Ina und konnte sie einen Moment lang tanzen sehen, hier, ganz allein mitten im Raum. Sie trägt ein schwarzes Trägerkleid und hält ein Glas in der Hand. Sie tanzt für sich allein und mit geschlossenen Augen.
    »Katja hatte diesen Vogeltick.« Sabine Klein lachte. »Sie kannte wirklich alle Vögel, ich meine, die Arten und wie sie aussahen, sie stellte sich mitten auf eine Wiese und guckte den Vögeln zu.«
    Siehst du, wie sie beim Reden mit den Armen rudert? Gerade so, als ob sie dich zurückholen will, komm doch her und schau’s dir an.
    »Sie hatte auch welche zu Hause, so kleine Piepmätze, die den Kindern auf den Schultern saßen. Niedlich.«
    »Ja.« Ina räusperte sich. »Sterntaucher und so.«
    »Nein, nein, das waren schlichte Kanarienvögel. Sterntaucher, das sind doch Riesenviecher, fast wie Enten, also« – Sabine Klein holte Luft – »die hatte sie natürlich nicht.«
    »Nein«, sagte Ina. »Ich meine nur.«
    Du lieber Himmel, hör dir an, was ich hier rede. Weißt du, was mein Chef sagen würde? Frau Kollegin, das ist trivial. So redet mein Chef, wenn er auch sagen könnte: Sie labern Scheiße. Ich meine, das wäre doch klar und deutlich, nicht? Wüßte jeder, was gemeint ist. Na gut, aber du solltest wissen, Frau Kammer, daß ich eigentlich gute Vernehmungen mache, also ich kann viel besser vernehmen als diese Berichte schreiben, macht mir auch mehr Spaß.
    »Katjas Eltern haben nie ein Konzert von ihr gesehen.« Sabine Klein ließ die Arme durch die Luft sausen. »Sie hat sie zwar eingeladen, aber sie sind nicht gekommen. Sie hatten keine besondere Beziehung zueinander, und den Eltern war es auch egal, daß sie mit sechzehn wegging von zu Hause. Hatten nie Geld gespart, Katja sah es so. Sie waren beide arbeitslos und haben wohl getrunken.«
    »Wo sind sie jetzt?« fragte Ina.
    »Friedhof.« Sabine Klein lächelte schief. »Die Mutter hatte einen Unfall, und der Vater ist kurz nach ihr

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