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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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nur. »Hast es dir doch ausgesucht.«
    »Was heißt ausgesucht? Ich bin befördert worden, das ist ja okay, aber die Mordkommission war die einzige Stelle dafür. Ich hab nie gesagt, ich will dahin. Aber man will ja auch weiterkommen, nicht?« Sie sah ihm beim Essen zu und wollte ihm erklären, daß die wenigsten aus ihrer Haut kamen, war es nicht so? Der Job war sicher, ja klar, dieses spießige Sicherheitsgefühl, man kriegte sein Geld am Ersten, ob der Täter nun überführt war oder nicht. Die Lust auf Abenteuer, die sie am Anfang gespürt hatte, war ihr längst vergangen und blitzte nur manchmal noch auf, wenn sie an das dachte, was die Leute berufliche Zukunft nannten, als wär die vom übrigen Leben getrennt. Sie wollte Hauptkommissarin werden, weiter würde sie ohne Studium ohnehin nicht kommen, und dann zur Fahndung. Zielfahndung, ja, das war ein kleiner Traum, Leute jagen durch die halbe Welt. Diesen bankrotten Baulöwen damals, den hatten sie in Miami aufgespürt, das war doch was, war anders als der Geruch, der einem entgegenschlug, beugte man sich über zerfetzte Körper und sah in tote Augen. Der Tod hat graue Haut, wollte sie ihm sagen und hätte ihm das nicht erklären können, das mag ich nicht ein Leben lang sehen, alles grau, alles tot – na ja, wirst du sagen, das wird doch Routine, da sollte man doch drüberstehen. Tu ich aber nicht, und ich will auch nicht abends, wenn wir zusammen sind, so ein Nichts manchmal spüren, über das du nachgrübelst im Bett und dich vorm Einschlafen fragst: Was ist denn jetzt gewesen, was haben wir mit der Zeit gemacht?
    Das alles hatte sie nicht gesagt, weil sie glaubte, daß es zickig klang, und weil sie ja keine richtige Antwort wußte, hätte er wieder gefragt: Was willste eigentlich? Aber sie brauchte doch jeden Morgen seine blinzelnden Bernsteinaugen, das war es nicht. Sie brauchte sein Lachen, seine Geschichten und seine Hände auf der Haut.
    Blödes Spiel. Seit sie von der Kammer wußte, grübelte sie darüber nach. Ganze Nächte war die wach geblieben, weil sie meinte, etwas zu versäumen im Schlaf – wer hatte das erzählt, die Architektin? Eine der Frauen, die aus ihrem Leben längst verschwunden waren. Aber jetzt Sabine Klein – Ina schnalzte mit der Zunge – dieser kleine Laden war ein Versuch gewesen, ein Strohhalm nur, und hatte ihr Frau Manz beschert und ihre Tochter, die Einzige bisher, die mit der Kammer in Verbindung stand, als die Zeiten dunkler wurden. Siehst du? Ich krieg dich, komm immer näher an dich ran. Wie ein Puzzle ist das. Steinchen für Steinchen für Steinchen.
    Am Morgen, bevor das verunglückte Manöver mit Thiele begann, hatte Kissel ihr in dürren Worten von der Klinik erzählt, in der Katja Kammer eine Entziehungskur begann, nachdem sie ihre Söhne zu den Tillmanns brachte. »Appetitzügler zum Hochfahren und Valium zum Runterkommen, immer mehr Valium«, sagte er, »dazwischen Schnee. Dann bricht sie den ganzen Zirkus aber ab, weil ihr die Klinik zu teuer war. Konnte nicht mit Geld umgehen, sagt der Arzt, war auch nie gescheit krankenversichert.«
    »Der konnte sich noch erinnern?« fragte Ina.
    »Und ob.« Kissel lächelte. »So ’ne Schmerzensmadonna, da lacht das Therapeutenherz. Die wär immer so verträumt gewesen, sagt er, abwesend, wollte auch keinen Kontakt zu den anderen Patienten.« Dann streckte er einen Finger aus, als käme etwas Bedeutsames: »Lief manchmal die Gänge auf und ab und summte vor sich hin, sagt er. Hat keine Ahnung, wohin sie verschwunden ist.«
    »Die Pillen«, sagte Sabine Klein. »Am Ende hat sie die gefressen.« Die Tochter von Frau Manz schien ihre hundertdreiundachtzig Zentimeter durch eine üppige Dauerwelle noch betonen zu wollen. Sie war nervös, bot Kaffee an, Tee und Orangensaft, und dann wieder Kaffee. »Sie sehen nicht wie eine Polizistin aus«, sagte sie.
    Ina konnte die Augen nicht von dem riesigen Vorratsregal abwenden, das Tom Czerwinski neidisch machen würde, der als eines von sieben Aussiedlerkindern von der Angst besessen war, es sei nicht genügend Essen im Haus. Manchmal saß er nachts noch mit einer Liste in der Küche und klopfte mit dem Bleistift auf den Tisch: Das brauchen wir und das und das und jenes. Er liebte Supermärkte, stromerte da durch wie andere Leute durch Museen.
    Sie wußte nicht, wie man als Polizistin auszusehen hatte, Jeans, Turnschuhe, Kurzhaarschnitt? In Turnschuhen ging sie noch nicht einmal in den Keller.
    »Ich dachte, Sie wären älter«, sagte

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