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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Geld geben, sie gab ihm noch mal fünfzig, da hatte er hundert Mark, das war doch okay. Doch fing Robin an zu schreien, FÜNFZIG MARK, DU DUMME SAU, GLAUBST DU, DAVON KANN ICH MIR WAS KAUFEN?
    Hör auf, sagte sie müde, schrei doch nicht immer. Es war ein Tag wie dieser, als man den Bierhahn tropfen hörte und im Fernseher eine rote Frau die Nachrichten verlas. Mit dem Messer hatte er versucht, den Hahn zu reparieren. Wo war das Messer?
    Robin kam selten, und gewöhnlich fing er an, sie zu beschimpfen. Er wollte Geld von ihr, soviel Dorian wußte, viel mehr Geld als fünfzig Mark, er schrie sie dann an, du Miststück hast das gehortet, erzähl mir nichts, du hast doch Geld genug. Du wirst es mir auch geben, schrie er, denn ich muß nur ein Wort sagen, dann hast du die halbe Bullerei auf dem Hals.
    Robbi, sagte sie, Robbi, ich hab doch nichts mehr.
    NENN MICH NICHT ROBBI, DU FOTZE.
    Trotzdem schien es, als freute sie sich über seinen Besuch, jedenfalls so lange, wie er den Mund halten konnte. Als er das erste Mal in die Kneipe gekommen war, hatte sie ihn nur angesehen wie einen fernen Geliebten, und immer, wenn er sie anschrie, tat sie so, als sei das ganz normal. Nur diesmal sagte sie: Hör auf.
    Laß sie, sagte Dorian, du siehst doch, daß sie nichts hat. Die hat mit ihrer Trällerei genug verdient, rief Robin, und Dorian fragte: In dieser Bar? Das glaub ich nicht. Welche Bar, schrie Robin, du blöder Depp, du armer Irrer, das waren Säle!
    Säle – Dorian hatte das komisch gefunden, wie kommst du darauf? In einer Bar hat die geträllert, bevor sie die Kneipe hier hatte; BIST DU VÖLLIG BESCHEUERT, schrie Robin, HÖR DOCH MAL AUF MIT DEM SCHEISS.
    Jetzt sah er ihre Hände auf dem Tisch, sie wischten Aschereste weg und Ränder vom Bier, doch im nächsten Moment sah er sie wieder auf Knien, sie wischte den Boden, wischte das Blut weg, Robins Blut.
    Aber warum, wie war das gekommen, Robin schrie doch nur, ja, und wie der schrie, der schrie ihn ja tot. Er wollte hin zu ihm, zu Robin, wollte ihm den Mund zuhalten, dieses böse, schlechte Maul, denn mit einer Stimme, die sich fast überschlug, brüllte er, daß er HINGUCKEN sollte, GUCK DOCH HIN, MANN, DIE HURE DA, DAS IST UNSERE MUTTER, DU ARSCH.
    War er dann tot? Er wußte es nicht. Konnte sich nicht erinnern. Er hatte nur das Blut auf dem Boden gesehen und sie schreien gehört, so ein langgezogener, wimmernder Schrei war das gewesen wie damals, als Christian starb, der Fotograf des Sternenbildes.
    Genauso. Jetzt fiel es ihm ein.
    Langsam hob er die Hände vom Tisch und guckte auf seine Finger, die ihm vorkamen wie Klauen. Auch das Holz, vor dem er saß, der Tisch, sah anders aus. Als war es kein Tisch mehr, als war es etwas anderes. Robin war nun still. Er schrie auch nicht mehr in ihm drin, vielleicht, weil es keine Hoffnung mehr gab, nichts mehr auf der Welt.
    »Der Sterntaucher«, sagte er laut.
    »Was meinst du?« Sie stand am Zigarettenautomaten und zog sich eine Marlboro. Die rote Packung hatte er schon als kleiner Junge gesehen.
    »Meine Kneipe«, flüsterte er. »Sterntaucher.«
    »Ja«, sagte sie, »das war immer mein Lieblingsvogel, nur wegen dem Namen. Der sieht ja eher wie eine fette Ente aus.«
    Er nickte und sah Hände in einem Buch blättern, hier, schau mal, der ist fünfzig Zentimeter groß. Was hatte sie mit ihren Händen gemacht? Weiche Hände waren das früher, die ihn streicheln konnten, wenn er traurig war. Es war so lange her. Sie riß diese Folie von der Zigarettenpackung ab – wie siehst du denn aus, was bist du denn jetzt?
    Robbi hatte das nicht sagen dürfen. Aber hatte er nicht recht gehabt?
    »Ich fand die Vorstellung so schön«, sagte sie, »daß der die Sterne findet, überall.« Sie ging an ihm vorbei auf die Tür zu, die zu Karls hinteren Räumen führte, und im Aufspringen sah er wieder ihr Gesicht, sie drehte sich um. Ein Geräusch, ein Blick; er hörte, wie der Stuhl hinter ihm zu Boden fiel und sah in ihre Augen. Er zog seine Waffe, er war Polizist. Seine Füße machten Lärm, das hörte er genau, nur ihre Stimme war ein fernes Rauschen – »Dori«, sagte sie leise, »komm her, steck die weg.«
    Niemand sonst hatte ihn so genannt. Nur Robin ab und zu, wenn er ihm einen Gefallen tun sollte. Niemand sonst.
    »Warum«, fragte er, »bist du nicht zurückgekommen?« Er sah die Waffe in seiner Hand und dann sah er wieder ihre Augen. Sie stand ganz ruhig da und sah ihm entgegen. Er hörte nicht, ob sie antwortete, wahrscheinlich

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