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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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sagst ja nichts? Nein, das hast du damals gar nicht mitbekommen, hast Christian später nur den Scheißfotografen genannt, der dieses Bild von dir machte, auf dem du nicht vollständig warst. Als er sich zurücklehnte, begegnete er Billas Blick; ja, du neugierige alte Schlampe, das ist eine Vernehmung hier, und weil die Kommissarin Henkel im allgemeinen weiß, wie man das macht, wartet sie jetzt ab, was er als nächstes sagt.
    »Christian ist an Drogen gestorben«, sagte er. »Sie haben damals gedacht, wenn sie im Dorf leben, hört er damit auf. Er hat auch eine Weile aufgehört, das hat sie mir später erzählt. Nicht so erzählt, wie ich es dir jetzt erzähle, halt so, wie man Kindern was verständlich macht, weißt du? Sie hat mir immer viel erzählt. An dem Morgen ist er ganz früh aufgestanden, hat sich was gespritzt, und dann ist er neben ihr im Bett gestorben, und sie hat es nicht gemerkt. Erst wie sie ihn wecken wollte, da hat sie’s gemerkt.«
    Er schwieg einen Moment. Hörst du zu, Robbi? Kannst du dich erinnern?
    »Ich weiß noch, wie die Totenträger ins Haus gekommen sind. Meine Mutter hat gesagt, sie müssen ihn zu zweit tragen, weil er schwer ist. Sie hat dann nicht mehr richtig schlafen können, kam jede Nacht ein paarmal zu uns ins Zimmer, um zu gucken, ob wir noch leben. Sie hat viele Blumen auf Christians Bett gelegt, aber sie hat nicht mehr da geschlafen. Sie hat unten auf dem Sofa geschlafen, halb im Sitzen.«
    Ina sagte nichts, und er beobachtete ihre Hände, wie sie Kaffeetasse und Aschenbecher auf dem Tisch hin und her schoben. War sie auch zu Hause so nervös? Dann war es sicher kein Vergnügen, mit ihr zu leben. Stell dir das vor, du vögelst sie gerade, und sie angelt nach links und rückt den Wecker gerade, grabscht dann nach rechts und raschelt mit Bonbons, das kann man sich doch ersparen, nicht? Er lächelte sie an. »Hast du schon mal Drogen genommen?«
    »Keine harten«, murmelte sie. »Früher mal, auf Partys, in Discos – haben wir doch alle mal gemacht.«
    »Ich nicht«, sagte er. »Ich hab noch nicht einmal geraucht.«
    »Geraucht hab ich auch nie.« Das klang eine Spur zu trotzig, als täte es ihr leid, zuviel gesagt zu haben.
    »Robin war auch nicht auf Drogen. Das habt ihr bei der Obduktion gesehen, oder?« Er fand es komisch, von der Obduktion zu sprechen, und fragte sich, wie Robin das geschafft hatte, zweimal dazusein, einmal auf dem Seziertisch und das zweite Mal in Dorians Körper drin. So gerne würde er sie fragen, ob sie Robin wirklich gesehen hatte auf dem Tisch, weil ihm vieles leichter würde, wenn sie sagte, nein, stell dir vor, die Leiche war weg. Das wäre logisch und er wollte so gerne das Gefühl haben, daß alles mit rechten Dingen zuging, weil doch seit dieser Nacht, als er Robins Leiche auf dem Friedhof sah, alles um ihn herum in Stücke fiel, seine Gedanken, sein halbes Leben und die ganze Welt. Hilf mir doch, wollte er sagen, du suchst einen Mörder, aber vielleicht gibt es keinen, weil Robin ja irgendwie noch am Leben ist. In mir drin am Leben, verstehst du, und vielleicht frißt er mich auf.
    Drüben redeten sie über ihn. Sicher hielt Karl Hufnagel die Kommissarin Henkel für Dorians neue Freundin, das dachte er von jeder Frau, die hier mit ihm saß. »Die Mädels sind wählerisch geworden«, sagte er laut zu Billa, »die gucken sich zehnmal um.«
    »Brauchen sie bei ihm doch nicht.« Billas Stimme war so schleppend, als sei sie betrunken. »Ist doch ein Hübscher.«
    Dorian lächelte. Hatte die Kommissarin das gehört? Aber im Grunde konnte Billa das gar nicht beurteilen, weil sie erstens so verkommen war und zweitens auch noch Karl geheiratet hatte, der weit davon entfernt war, ein Hübscher zu sein. Als wäre ihr das gerade selber eingefallen, fing sie von Karls Haaren an, die er sich doch tönen sollte, um die grauen wegzukriegen, wie sie es im Fernsehen doch auch für Männer zeigten. Kastanie vielleicht.
    »Dazu ist mein Teint zu blaß«, sagte Karl, und das schien Billa einzusehen, wo er recht hatte, hatte er recht. Kastanie also nicht. Aber Braun, so ein solides, unbezweifelbares Braun?
    »Glatze«, sagte Karl. »Glatze soll erotisch machen.«
    »Dich auch?« Billa stand auf. Als sie hinterm Tresen verschwunden war, murmelte die Henkel neben ihm: »Was sind denn das für Vögel?«
    »Die Hufnagels«, sagte Dorian abwesend, »Billa und Karl.« Sollte er ihr sagen, daß er die Kneipe übernehmen würde? Aber nein, nachher erzählte sie es noch

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