Sternwanderer
Wunder und Zauberei aus, ja?« Noch einmal schaute er sich in Dunstans Hütte um. In diesem Augenblick begann es zu regnen, und sie hörten ein leises Rieseln auf dem Strohdach über ihnen.
»Nun gut«, sagte der große Gentleman, ein klein wenig unwirsch, »ein Wunder soll es also sein, ein wenig Zauberei. Morgen wird sich Euer Wunschtraum erfüllen. So, hier ist Euer Geld«, fügte er hinzu und zog die Münzen mit einer lässigen Bewegung aus Dunstans Ohr. Dunstan berührte damit den Eisennagel an der Tür, um zu überprüfen, ob es sich nicht um Feengold handelte, dann verbeugte er sich tief vor dem Gentleman und marschierte hinaus in den Regen. Die Münzen band er in sein Taschentuch.
Durch den strömenden Regen wanderte er zum Kuhstall, kletterte auf den Heuboden und war bald tief und fest eingeschlafen.
Mitten in der Nacht merkte er, wie es donnerte und blitzte, doch er wachte nicht ganz auf. Erst im frühen Morgengrauen schreckte er hoch, weil jemand über seine Füße stolperte.
»Tut mir leid«, sagte eine Stimme. »Besser gesagt, entschuldigt bitte.«
»Wer ist da?« fragte Dunstan.
»Bloß ich«, antwortete die Stimme. »Ich bin zum Markt hier. Eigentlich hab’ ich in einem hohlen Baum geschlafen, aber der Blitz hat ihn umgeschmissen, hat ihn zermatscht wie ein Ei, jawoll, zerbrochen wie ein Zweiglein, und der Regen lief mir in den Kragen und hätte fast meinen Tornister durchnäßt, und da sind Sachen drin, die müssen trocken bleiben wie Staub, und ich hab’ sie gehütet wie meinen Augapfel auf dem Weg hierher, obwohl es da so feucht war wie im…«
»Im Wasser?« schlug Dunstan vor.
»Ganz recht«, fuhr die Stimme in der Dunkelheit fort. »Da hab’ ich mich gefragt«, fuhr sie fort, »ob es Euch wohl was ausmacht, wenn ich mich hier unter Eurem Dach einniste, denn ich bin ja nicht so groß, und ich würd’ Euch nicht stören und niemandem und nichts zur Last fallen.«
»Dann tritt aber bitte auch nicht auf mich drauf«, seufzte Dunstan.
In diesem Moment erhellte ein Blitz den Kuhstall, und da sah Dunstan eine kleine haarige Gestalt mit einem großen Schlapphut in der Ecke sitzen. Dann herrschte wieder Dunkelheit.
»Ich hoffe, ich störe Euch nicht«, sagte die Stimme, die genauso haarig klang, wie das Männchen aussah.
»Aber nein«, antwortete Dunstan, der hundemüde war.
»Das ist fein«, sagte die kleine Gestalt, »denn ich möchte Euch wirklich nicht stören.«
»Bitte«, flehte Dunstan, »laßt mich jetzt schlafen. Bitte.«
Daraufhin war noch ein Schnüffeln zu hören, das jedoch rasch in ein leises Schnarchen überging.
Dunstan drehte sich im Heu auf die andere Seite. Das Wesen, wer oder was immer es sein mochte, furzte, kratzte sich ausgiebig und schnarchte weiter.
Dunstan lauschte dem Regen auf dem Stalldach und dachte an Daisy Hempstock; in seiner Phantasie gingen sie zusammen spazieren, und sechs Schritte hinter ihnen schritt ein großer Mann mit einem Zylinder sowie eine kleine, pelzige Kreatur, deren Gesicht Dunstan nicht erkennen konnte. Sie waren unterwegs, zu Dunstans Wunschtraum…
* * *
Helles Sonnenlicht schien ihm ins Gesicht, und der Kuhstall war leer. Dunstan wusch sich das Gesicht und ging hinüber zum Farmhaus.
Dort zog er seine beste Jacke an, sein allerbestes Hemd und seine allerbeste Kniehose. Mit dem Taschenmesser kratzte er den Schmutz von seinen Stiefeln. Dann ging er in die Küche, küßte seine Mutter auf die Wange und nahm sich einen Bauern-Laib sowie ein Stück frisch geschlagene Butter.
Sein Geld ins feine Sonntagstaschentuch aus Kambrik gebunden, wanderte er hinauf ins Dorf Wall und wünschte den Wachen am Tor einen guten Morgen.
Durch die Öffnung in der Mauer konnte er sehen, wie bunte Zelte errichtet, Buden aufgestellt und Flaggen gehißt wurden; Menschen eilten emsig hin und her.
»Vor Mittag lassen wir niemanden durch«, verkündete die Wache.
Dunstan zuckte die Achseln und ging zum Wirtshaus, wo er sich überlegte, was er von seinen Ersparnissen (einer blitzenden Half-Crown und einem glückbringenden Sixpence, den er durchbohrt hatte und an einem Lederband um den Hals trug) sowie den zusätzlichen Münzen in seinem Taschentuch kaufen könnte. Im Augenblick hatte er vollkommen vergessen, daß ihm gestern abend noch mehr versprochen worden war. Schlag zwölf Uhr mittags marschierte er zur Mauer und schritt nervös, als bräche er das größte Tabu, durch die Öffnung. Neben sich bemerkte er den Gentleman mit dem
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