Steuerflucht - Das Milliardengeschaeft mit dem Schwarzgeld Ein Insider packt aus
mehrere Funktionen: Erstens verschafft es der City einen globalen Einflussbereich, verteilt auf die weltweiten Zeitzonen ködern die britischen Steueroasen mobiles internationales Kapital. Ein Großteil des Geldes und die Geschäfte, die damit durchgeführt werden, werden anschließend nach London weitergeleitet.
Zweitens ermöglicht es das Netz der City, sich an Geschäften zu beteiligen, die in Großbritannien verboten sind. Nach dem Motto „Jersey or jail“ (Jersey oder Gefängnis) geht derjenige, der schmutzige Geschäfte plant, aber nicht erwischt werden will, einfach in eine angeschlossene Steueroase und wird dort tätig. Gibraltar etwa war für Londoner Banker viele Jahre der Ort für richtig krumme Touren.
Dieses Netz von Steueroasen unter britischem Einfluss ist ein perfektes System zur Geldwäsche. Wenn das Geld dann in London ankommt, ist es weißgewaschen. Darüber hinaus dienen die Oasen zur Aufbewahrung. Würde das dort geparkte Offshore-Vermögen direkt nach London fließen, hätte das gravierende Folgen für den britischen Wechselkurs. Und beschweren sich andere Länder über den Missbrauch, der beispielsweise auf Jersey, Guernsey oder auf der Isle of Man stattfindet, verfügen diese über genügend Unabhängigkeit, dass Großbritannien sagen kann: „Dagegen können wir nichts ausrichten.“ Allein in diesen drei Steueroasen liegt nach Schätzungen von Londoner Bankexperten rund eine Billion US-Dollar, ein Großteil davon Steuerfluchtgelder.
Die 14 britischen Überseegebiete sind die letzten Außenposten des Britischen Imperiums. Sie zählen zusammen gerade mal 250.000 Einwohner, aber unter ihnen befinden sich einige der weltweit wichtigsten Steuerparadiese: Die Cayman Islands, Bermuda, die British Virgin Islands, die Turks and Caicos Islands sowie Gibraltar. Die Cayman Islands sind das fünftgrößte Finanzzentrum der Welt: Über 80.000 Unternehmen sind dort eingetragen und drei Viertel aller Hedgefonds mit zwei Billionen Dollar Einlagen haben dort ihren Sitz. Die subtil ausgeübte Macht Großbritanniens sichert das flüchtige globale Kapital ab und stärkt die Offshore-Sektoren der Überseeparadiese. Ein dritter britischer Einflussbereich umfasst Hongkong, Singapur, die Bahamas, Dubai und Irland. Diese Steueroasen sind zwar vollkommen selbständig, aber eng an die City of London angebunden. Gleiches gilt für die kleineren, unbedeutenden Steueroasen Vanuatu, Ghana und Gabun.
Die USA bilden den Anker des dritten Offshore-Systems (siehe Seite 204).
Dieser kurze Ausflug in die Steueroasen-Welt zeigt, dass das Offshore-System nicht aus einer Reihe von unabhängigen Staaten besteht, die ihre Hoheitsrechte geltend machen, um ihre Rechts- und Steuersysteme nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten. Vielmehr handelt es sich um netzartig angeordnete Einflusszonen, die von mächtigen Staaten kontrolliert werden – insbesondere von Großbritannien und den USA.
Jedes dieser Netzwerke ist auf das Engste mit den anderen verflochten. So machen beispielsweise reiche US-Personen und -Gesellschaften vom britischen Netz ausgiebig Gebrauch: Bevor Enron Anfang 2004 pleiteging, unterhielt das Unternehmen 881 Offshore-Töchter, darunter 692 auf den Cayman Islands, 119 auf den Turks and Caicos Islands, 43 auf Mauritius und acht auf Bermuda. Die News Corporation hatte 2009 152 Offshore-Gesellschaften, davon 62 auf den British Virgin Islands, 33 auf den Cayman Islands und 21 in Hongkong. Alle in der britischen Einflusszone. Der Finanzdienstleister Citigroup unterhielt 427 Zweigunternehmen in Steuerparadiesen, darunter 91 in Luxemburg und 90 auf den Cayman Islands.
Niederlassungen und Zweckgesellschaften auf den Caymans unterhält aber auch die Deutsche Bank – mehr als am Konzernsitz Frankfurt. Insgesamt hat die Deutsche Bank nach einer Attac -Recherche 51,35 Prozent ihrer Tochter- und Zweckgesellschaften sowie assoziierten Unternehmen in Steuerparadiesen angesiedelt. Es folgen die mittlerweile ebenfalls zur Deutschen Bank gehörende Postbank (22,33 Prozent) und die zu großen Teilen im Bundesbesitz befindliche Commerzbank (23,43 Prozent). Mit ihren Niederlassungen an Schattenfinanzplätzen entziehen die Banken dem deutschen Fiskus Steuern in Milliardenhöhe.
Seit der Finanzkrise 2008 konnten die Regierungen reicher OECD -Länder die Öffentlichkeit recht erfolgreich davon überzeugen, dass sie gegen Steuerparadiese hart durchgreifen. „Mit dem alten Modell der Geheimhaltung ist es vorbei. Wir leben in einer
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