Steuerflucht - Das Milliardengeschaeft mit dem Schwarzgeld Ein Insider packt aus
verbessern ihre Steuer- und Regulierungssysteme, sodass sie vor dem neuen Missbrauch geschützt sind. Entwicklungsländer hingegen, die keinerlei Erfahrung mit der zunehmenden Komplexität des Offshore-Systems haben, sind wehrlos, sie gelangen immer weiter ins Hintertreffen.
Doch Steuerflucht ist nicht nur für die einkommensschwachen Länder ein Problem. Sie schadet auch den reichen Ländern – sogar jenen, die sich selbst zu Steuerparadiesen entwickelt haben. Für die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 etwa war das Offshore-System ein wesentlicher Faktor:
Erstens ermöglichte es den Finanzkonzernen, sich der Regulierung zu entziehen. Das Umgehen der Finanzaufsicht trug dazu bei, dass Finanzunternehmen explosionsartig wachsen konnten. Sie wurden „too big to fail“. Sie gewannen so viel Macht, dass sie die Regierungen in den Würgegriff nehmen konnten.
Zweitens zerstörte es das Finanzsystem von innen: Indem die Offshore-Regionen ihre eigenen Regulierungen immer weiter lockerten, zwangen sie Onshore-Gebiete dazu, in einen Wettbewerb einzutreten. Die betreffenden Länder lockerten ihre Rechtsvorschriften so immer weiter, um sich gegenüber den anderen einen Vorteil zu verschaffen.
Drittens hatten illegale grenzüberschreitende Kapitalflüsse einen massiven Nettozufluss in Defizitländern wie den USA und Großbritannien zur Folge. Das hat die makroökonomischen Ungleichgewichte, die der Krise zugrunde lagen, weiter verstärkt.
Viertens bewirkten die Anreize im Offshore-System, dass sich Unternehmen viel zu viel Geld liehen – das sie wiederum offshore versteckten.
Fünftens schuf die Strategie der Unternehmen, ihre Bankgeschäfte aus Steuer-, Regulierungs- und Geheimhaltungsgründen auf die weltweiten Steueroasen zu verteilen, eine undurchdringliche Komplexität. Zusammen mit der Intransparenz führte dieses verworrene System dazu, dass Aufsichtsbehörden in die Irre geführt wurden und das gegenseitige Misstrauen der Marktakteure sich vertiefte. Und das verschärfte die Finanz- und Bankenkrise weiter.
Vertrauen ist ein zentraler Bestandteil jedes gesunden Wirtschaftssystems. Doch nichts untergräbt Vertrauen so effizient wie das Offshore-System. Es ist kein Zufall, dass so viele Institutionen der Finanzgaunerei – Enron , die Imperien der Betrüger Bernie Madoff und Allen Stanford , der Hedgefonds Long-Term Capital Management , Lehman Brothers , der Versicherer AIG oder der Hypo Real Estate – in der Offshore-Welt so stark verwurzelt waren. Wenn niemand herausfinden kann, wie die Finanzen eines Unternehmens wirklich aussehen, bis sich alles Geld in Luft aufgelöst hat, gedeiht der Schwindel. Und indem sie unseren reichsten Bürgern dabei helfen, sich vor Besteuerung und Finanzregulierung zu drücken, behindern Steueroasen heute alle Bemühungen, die Auswirkungen der Krise finanziell zu bewältigen.
Das Offshore-System hat die Finanzkrise zwar nicht verursacht. Doch es hat die Bedingungen geschaffen, unter denen sie ausbrechen konnte. Und indem Steuerparadiese den Eliten unserer Gesellschaft erlauben, sich den Behörden ihrer Heimatländer zu entziehen, höhlen sie die Regeln, Systeme und Institutionen aus, die für das Allgemeinwohl zuständig sind – und sie höhlen unseren Glauben an diese Regeln aus.
Welt ohne Regeln
Eindrucksvoll belegen lässt sich die Wirksamkeit dieser Mechanismen mit dem Fall der BCCI , der wohl berühmtesten Offshore-Bank. Das Geldhaus war 1972 vom indischstämmigen Banker Agha Hassan Abedi mithilfe von Mitgliedern der saudischen Königsfamilie sowie von Scheich Zayed Bin Sultan Al-Nahyan , dem Herrscher von Abu Dhabi gegründet worden. Die BCCI wuchs atemberaubend schnell, dabei nutzte sie ein einfaches Geschäftsmodell: Die Bank vermittelte nach außen den Eindruck eines seriösen Unternehmens und knüpfte Freundschaften mit mächtigen Leuten. Dann stieg sie in jedes Geschäft ein, das ihr angeboten wurde – egal wo, für wen oder für was. BCCI überhäufte Politiker mit Bestechungsgeldern und arbeitete für einige der größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts: für Saddam Hussein , den Terroristenführer Abu Nidal , das kolumbianische Medellin-Drogenkartell und den burmesischen „Opium-König“ Khun Sa .
Die Bank war in den Schmuggel von Nuklearmaterial an Syrien involviert. Ihre Filialen in der Karibik und in Panama wurden von lateinamerikanischen Drogenhändlern benutzt, die Niederlassungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die ein lukratives Offshore-Bankgeschäft
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